Dem Trend entsprechend inszenierte der schauspielernde Regisseur John Stockwell 2006 für Fox Atomic im Zuge der zahlreichen Tourismus- und Survival-Schocker der damaligen Jahre (HOSTEL; THE DESCENT; WOLF CREEK; SEVERANCE) seine Version davon. Darin schickt er die Rucksacktouristen Josh Duhamel (TRANSFORMERS 1 – 3), Melissa George (THE AMITYVILLE HORROR; TRIANGLE; 30 DAYS OF NIGHT), Olivia Wilde (DR: HOUSE; COWBOY & ALIENS; TRON: LEGACY), Desmond Askew (THE HILSS HAVE EYES) und einige weniger bekannte, junge Gesichter nach einem Busunfall auf dem Irrweg in den brasilianischen Dschungel, wo sie schon von einem Organhandel betreibenden Metzel-Doc (Miguel Lunardi) sehnlichst erwartet werden. Der brauch’ gerade ein paar neue Nieren für seine Kunden…
Ja, ja, hier gibt’s schöne Naturbilder und schöne Menschen satt, was alles in eine Situation mündet, die weniger schön ist. Stockwells Faible für Meeres-Geplansche, Strandbilder aus dem Urlaubskatalog, Tauch- und Unterwasserszenen, Bikini-Schönheiten und Waschbrettbäusche scheint noch aus seinen Abenteuerstreifen BLUE CRUSH (2002) und INTO THE BLUE (2005) übrig geblieben zu sein, unterstreicht jedoch in der allzu häufigen Anwendung die Belanglosigkeit seines oberflächlichen Kampf-ums-Überleben-Schockers, der ja unbedingt auf dieser populären Horror-Welle mitschwimmen musste. Mit bescheidenen 7 Mio. Dollar Einspielergebnis an den US-Kassen ist er aber gnadenlos untergegangen, konnte also nicht von diesem Trend profilieren. TURISTAS sieht immer so aus, als wollte ein John Stockwell der Welt auch mal zeigen, dass er solche Filme machen kann, aber während des Drehs dann doch nicht so recht wusste, was er mit so einem Stoff anfangen soll. TURISTAS wirkt wie gewollt, aber nicht gekonnt.
Die Regie ist ebenso routiniert wie unambitioniert, was genauso für den faden Drehbuch-Einstand von Michael Ross (der als Cutter WRONG TURN und 2001 MANIACS betreute) gilt. Gerade unter diesen wenig vielversprechenden Vorraussetzungen wird der krasse Gegensatz zwischen traumhaftem Urlaubsparadies und alptraumhaften, puren Horror, dieser zermürbenden, hilflosen Situation des Ausgeliefertseins, nur wenig überzeugend vermittelt. Da hilft es auch nicht, wenn man das anfängliche, bezaubernde Urlaubsparadies im Finale in eine düstere, dreckige Regen-Matsch-Kulisse verwandelt, in der einheimische, bewaffnete Schurken schöne, junge Menschen aus Amerika jagen und hetzen. TURISTAS mag zwar, mit herunter geschraubten Erwartungen, einigermaßen unterhaltsam sein, ist aber aufgrund seiner Vorhersehbarkeit und der entsprechend glatten, platten Umsetzung nicht wirklich spannend oder gar fesselnd. Mit ausgedehnten Tauch- und Höhlensequenzen versuchte Stockwell die Einfallslosigkeit der Handlung zu übertünchen, was auch nicht viel nützte, sind doch diese, trotz aller Routine, in THE DESCENT und THE CAVE weitaus besser arrangiert. So bleibt mal wieder nur ein weiterer Survival-Thriller der Sorte „Stell’ dir mal vor, du fährst in den Urlaub und kommst nie wieder zurück.“
Immerhin muss man den Machern zugute halten, daß es ihnen nicht darum ging, die bislang gesehenen Folter- und Brutalo-Effekte auf Krampf toppen zu wollen, was noch einfallsloser gewesen wäre. Doch irgendwann, so in der Mitte, muss Stockwell und seinen Kollegen doch noch eingefallen sein, was sie zumindest einem Teil ihrer Zielgruppe schuldig sind. Für die Folterfilm-Fetischisten gibt es ein paar Zugeständnisse, die eher aufgesetzt wirken: Da ist der Geistesblitz, eine klaffende Platzwunde mit einem Tacker zu verschließen, einfach nur albern, während die aufgesetzte Szene, in welcher Dr. Zamora mit einem Käsespieß ins Auge eines widerborstigen Handlangers sticht, schrecklich plump.
Außerdem gibt es noch eine recht detaillierte Organentnahme-Szene und dort lässt der gute Doc seinen Opfern (und den Zuschauern) auch wissen, warum er das alles macht: Für den guten Zweck natürlich. Und ein Gleichgewicht herzustellen zu den Gringos, die sein Land besuchen, „Überfluss und Armut ausnutzen“ und Körper für „Sklaverei, für Sex und neuerdings für Innereien“ abnehmen. „Ich will euch helfen, eure Schuld zu begleichen“, sagte er. Und das öffentliche Krankenhaus in Rio freut sich besonders über seine Ware.
In jenem Moment wird der Film aufdringlich, da er darin verfällt, alles unbedingt erklären zu müssen, während in HOSTEL die Organisation dieses abgründigen Sumpfes weitestgehend im Verborgenen blieb. Die sozialkritischen Aspekte werden ohnehin nur oberflächlich gestreift und bleiben schließlich ganz auf der Strecke. Dafür machen dann Ressentiments Platz.
Auch wenn John Stockwell im Gegensatz zu den heftigen Gewaltausbrüchen von Eli Roth regelrecht zahm bleibt und der Blutverbrauch sich nur auf einen Bruchteil beschränkt, so sind doch die Parallelen zu HOSTEL unübersehbar. Nur das Osteuropa gegen Brasilien ausgetauscht wurde und anstatt stinkreichen Hobby-Folterern nun ein irrer Arzt agiert. Wie Roth sah sich auch Stockwell mit Vorwürfen konfrontiert, dass sein Film Klischess bedient und Situation aufbauscht bzw. gefährlicher hinstellt als sie sind. In Brasilien hatte er sich mit TURISTAS jedenfalls keine Freunde gemacht.
- „Spannend ist er schon, der – hier etwas entschärfte – Höllentrip von Bikinifilmprofi John Stockwell („Blue Crush“, „Into the Blue“). Speziell eine atemberaubende Jagd durch Unterwasserhöhlen treibt den Puls hoch. Die kapitalismuskritische Pointe wirkt aber so aufgesetzt, dass der ähnlich gelagerte Folterschocker „Hostel“ daneben fast aussieht wie eine geistreiche Globalisierungssatire.“ (CINEMA)
- „Abscheulicher Folterfilm in „Hostel“-Nachfolge, der aus seiner xenophoben Grundtendenz keinen Hehl macht und an niederste Instinkte appelliert.“ (KABEL EINS FILMLEXIKON)