NÄCHTE DES GRAUENS
GB 1966 / O: „The Plague of the Zombies“ / AT: „Im Bann des Voodoo-Priesters”; „The Zombie“; „The Zombies“ / Prod.: Hammer Films für Seven Arts
Regie: John Gilling / Musik: James Bernard / Kamera: Arthur Grant / Schnitt: Chris Barnes / Prod.: Anthony Nelson Keys / Buch: Peter Bryan / Make-up-Effekte: Roy Ashton
André Morell (Sir James Frobes), John Carson (Squire Clive Hamilton), Diane Clare (Sylvia Forbes), Brook Williams (Dr. Peter Thomson), Jacqueline Pearce (Alice Mary Thompson), Michel Ripper (Sergeant Jack Swift), Alex Davion (Denver), Marcus Hammond (Tom Martinus), Dennis Chinnery (Constable Christian), Roy Royston (Vicar) sowie Louis Mahoney, Ben Aris u.a.
„Ich träumte, daß die Toten auferstehen! Alle Gräber auf dem Friedhof öffneten sich und die Toten kamen heraus!““
Mitte der 60er Jahre hatten die Hammer-Studios ein Exklusivabkommen mit Seven Arts, einer späteren Tochtergesellschaft von Warner Bros., bei dem gleich zwei Filme an einem Stück in den selben Kulissen, mit den selben Kostümen und zum Teil den gleichen Darstellern gedreht wurden. Im Zuge dieser Back-to-Back-Produktionen entstanden BLUT FÜR DRACULA (Terence Fisher) und RASPUTIN – THE MAD MONK (Don Sharp), wo Hammer Films mit Christopher Lee in den Hauptrollen erstmals ihr „Rücken-an-Rücken“-Konzept testeten, gefolgt von DAS SCHWARZE REPTIL und dem hier vorliegenden NÄCHTE DES GRAUENS, bei denen John Gilling Regie führte.
Im Kino liefen diese vier kostengünstig produzierten Filme in wechselseitiger Koppelung, also DRACULA im Double Feature mit NÄCHTE DES GRAUENS, während RASPUTIN und das REPTIL zusammen das Licht der Leinwandwelt erblickten. Der Grund, warum die miteinander produzierten Filme getauscht wurden, war ein ganz simpler: der Kinobesucher hätte ja die gleichen Sets erkennen können. Dieses Rücken-an-Rücken-Komzept, also 2 Filme an einem Stück zu produzieren, wurde von Hammer aber nie wieder praktiziert.
Mitte des 19. Jahrhunderts: Der hoch angesehene Prof. James Forbes reist zusammen mit seiner Tochter in einer kleinen Ortschaft in Cornwall an, wo er dem Hilferuf seine ehemaligen Studenten Peter Thompson nachgeht. Der praktiziert mittlerweile als Arzt und sieht sich mit einer mysteriösen Todesserie konfrontiert. Ein Jahr ist er nun schon als Doktor in dem kleinen Kaff tätig und jeden Monat gab es ein neues Todesopfer. Dementsprechend reagieren einige Bewohner ziemlich miesepetrig auf den jungen Arzt.
Auf die Frage, warum er denn keine Autopsie vornehme, um die Ursache für die mysteriöse Krankheit herauszufinden, antwortet Thompson, dass der reiche Gutsherr Hamilton dies nicht zulässt. Also nehmen die beiden Männer die Sache selbst in die Hand bzw. den Spaten, um auf dem Friedhof ein Grab auszuheben. Als sie den Sargdeckel öffnen, finden sie zu ihrer Überraschung… – absolut nichts vor. Daraufhin stellt Prof. Forbes den feinen, reichen Hamilton zur Rede. Wie alle feinen, reichen Leute so hat auch dieser arrogante Mistkerl ziemlich Dreck am stecken. Nach einem Haiti-Trip kam ihm nämlich eine glorreiche Idee: ein paar Menschen um die Ecke bringen, sie mittels Voodoo-Zauber von den Toten wieder auferstehen lassen, um sie dann als besonders kostengünstige Zombie-Arbeitskräfte in seiner Mine zu beschäftigen…
Dracula, Frankenstein und die gute, alte Mumie ließen bei Hammer bisher schön die Kinokassen klingeln, nun sah man sich auch nach anderen leinwandtauglichen Monstern um. In DAS SCHWARZE REPTIL war es eine obskure Schlangen-Mensch-Mutation, hier sind es Zombies, die in der bisherigen Filmgeschichte eine eher untergeordnete Rolle spielen sollten, aber mit Victor Halperins WHITE ZOMBIE (1932) und vor allem Jacques Tourneurs ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE (1943) in zwei frühen Klassikern des Horrorfilms in Erscheinung traten. Daneben gab es noch diverse Low-Budget-Filme, darunter Victor Halperins DIE REVOLTE DER ZOMBIES (1932, mit Dean Jagger), Steve Sekelys REVENGE OF THE ZOMBIES (1943, mit John Carradine), Reginald LeBorgs VOODOO ISLAND (1957, mit Boris Karloff), Edward L. Cahns ZOMBIES OF MORA TAU (1957) und eben auch das mit einigen Zombie-Elementen garnierte Ed-Wood-Meisterwerk PLAN 9 FROM OUTER SPACE (1958, mit Bela Lugosi) – man denke hier an die geniale Wiederauferstehungsszene von Tor Johnson.
Anolis Mediabook Cover A
Zwei Jahre, bevor George A. Romero mit seiner NACHT DER LEBENDEN TOTEN den modernen Zombiefilm definierte und das Horrorgenre revolutionierte, probierten sich schon mal die Hammer Studios in diesem Subgenre aus. Im direkten Vergleich hinterlässt John Gillings THE PLAGUE OF THE ZOMBIES (so der Originaltitel), hier im Hammer-typischen Gewand eines Kostümfilms, einen (angenehm) altmodischen Eindruck, fast so wie ein Schauermärchen aus vergangenen Tagen, während Romeros NACHT DER LEBENDEN TOTEN das Grauen in die (damalige) Gegenwart, sozusagen in die Realität holte – und damit bis heute Maßstäbe setzt.
Keine militärischen Experimente und auch keine plötzlich ausgebrochene Epidemie – hier werden Zombies noch auf traditionelle Art zum „Leben“ erweckt: durch Voodoo-Zauber und Schwarze Magie, unterstützt durch rhythmisch trommelnde Urwald-Buschmänner, die Hamilton schon mal zu sich in den Keller holt. Dort geht dann die Party ab. Der herrliche Einfall, Zombies als Arbeitersklaven zu missbrauchen, ist eine Variation des bereits erwähnten WHITE ZOMBIE, einer der ersten Zombiefilme überhaupt. Hier spielte Bela Lugosi einen gierigen Raffineriebesitzer, der mittels Schwarzer Magie Tote in Zombies verwandelt, um sie dann in seiner Zuckermühle arbeiten zu lassen.
Wer den Zombiefilm vor allem wegen seiner blutigen Splatter-Effekte schätzt, wird wohl bei NÄCHTE DES GRAUENS ziemlich aus der Wäsche gucken, was aber bei einem Film aus dem Jahre 1966 keine große Überraschung sein dürfte. Die Hammer-Filme heben sich durch andere Zutaten hervor: Nebelverhangene Wälder, ein grusliger Friedhof, mürrische Dorfbewohner und ein schreckliches Geheimnis. Gillings preiswert, aber wirkungsvoll produzierter Film besitzt auch heute noch, und das macht ihn so unwiderstehlich, weitaus mehr Atmosphäre als die vielen billigen Zombie-Schnellschüsse, mit denen das Publikum auch heute noch (gerade heute!) torpediert wird. NÄCHTE DES GRAUENS zeichnet sich noch durch Liebe und Handwerk zum Filmemachen aus, was z.B. in der wunderbar photographierten, stimmigen Farbdramaturgie zum tragen kommt. Allein wie die Kamera in den kleinen Sets in die Tiefe geht und die knalligen Farben zur Geltung bringt, ist so schön anzuschauen und trägt viel zur Atmosphäre des Films bei. Nicht zu verachten ist auch die Wirkung der kongenialen Musik von James Bernard.
In einigen Szenen aber deuten die Hammer-Leute jene Schockmomente an, die Romero, Fulci & Co. in den späten 70er Jahren in aller Ausführlichkeit zeigen sollten, etwa wenn der rationale, taffe Professor einem wankenden Untoten mit dem Spaten die Rübe abhaut oder die anschließende Alptraumszene, in der sich Thompson von einer frisch aus den Gräbern auferstandenen Zombie-Horde umzingelt sieht. Eine großartig gefilmte, klassische Horrorszene, die auf diverse Filmemacher bestimmt nachhaltigen Eindruck machte.
Anolis Mediabook Cover B
Fazit zu NÄCHTE DES GRAUENS
Ein schön altmodisches, atmosphärisch stimmiges Voodoo-Zombie-Vergnügen aus den Hammer-Studios.
Blu-ray-Auswertung:
NÄCHTE DES GRAUENS gesellte sich am 30.04.2015 als 7. Titel zu der unbetitelten, nicht nummerierten Hammer-Blu-ray-Reihe von Anolis-Entertainment mit ihren wunderschön gestalteten Mediabooks – in Fankreisen höchst begehrte und zum Teil schon vergriffene Sammlerobjekte. So sind auch in diesem Fall Cover A und B mittlerweile ausverkauft und (zu diesem Zeitpunkt am 01.07.2015) nur noch über Drittanbieter wie ebay und Amazon Marketplace erhältlich. Nur im Mediabook enthalten ist das sehr schöne, reichlich bebilderte 32seitige Booklet mit einem Text von Dr. Rolf Giesen & Uwe Sommerlad. Ansonsten sind die Extras identisch mit der Standard Version im Amaray Case.
Von Rolf Giesen und Uwe Sommerlad stammt auch der sehr informative Audiokommentar mit allerlei Hintergrundinfos. Weitere Extras sind das Making of „Raising the Dead“ (ca. 35 Min.), in denen u.a. auch die Darsteller John Carson und Jacqueline Pearce zu Wort kommen, ein Featurette über André Morell (ca. 19 Min.) und ein Interview mit James Bernard aus dem Jahre 1994 (ca. 20 Min.). Zum wie immer umfangreichen Bonusmaterial gesellen sich außerdem:
- Internationale Titelsequenz (3:45 Min.)
- Britischer Trailer (1:54 Min.)
- Internationaler Trailer (2:19 Min.)
- Amerikanischer Double Feature Trailer (3:07 Min.)
- Deutscher Trailer (2:10 Min.)
- Super 8-Fassung – englisch (25:08 Min.)
- Comic-Adaption – englisch (17:49 Min.)
- Deutsches Filmprogramm (1:46 Min.)
- Deutscher Werberatschlag (3:20 Min.)
- Deutsches Presseheft (2:35 Min.)
- Bildergalerie (6:08 Min.)
„Blutzauber und teuflische Magie im höllischen Teufelsreigen!“
„Westindischer Voodoo-Kult fordert Jungfrauenopfer!“
„Ein Hexenkessel von Tod und Terror … ein Friedhof ohne Leichen!“
(Werberatschlag)
- Wenn auch weniger bekannt als Christopher Lee und Peter Cushing, so gehört auch André Morell (1909 -– 1978) zu Hammers wichtigsten Darstellern, immerhin war er in 9 Filmen zu sehen gewesen. So gab er in Terence Fishers DER HUND VON BASKERVILLE (1959) an der Seite von Cushing als Sherlock Holmes einen überzeigenden Dr. Watson zum Besten, des weiteren war er u.a. in THE VENGEANCE OF THE SHE (1968) und DER FLUCH DER MUMIE (1967, ebenfalls von John Gilling) mit dabei. Hammer-Inventar Michael Ripper, der als örtlicher Polizist eine amüsante Vorstellung abliefert, und Jacqueline Pearce als Peter Thompsons Ehefrau waren auch im Nebendarstellerensemble von DAS SCHAWRZE REPTIL integriert. Bösewicht John Carson blieb den Hammer Studios ebenfalls treu: in WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA (1970, Peter Sasdy) und CAPTAIN KRONOS – VAMPIRE HUNTER (1974, Brian Clemens) gab’s ein Wiedersehen mit ihm.
- „Ein wohltemporierter Spannungsaufbau mit einer gelungenen Aneinanderreihung atmosphärisch dichter Sequenzen lassen den Film sicherlich zu einem von Hammers zehn besten Kinoerlebnissen zählen.““ (Marcus Pawelczyk, Hölle auf Erden)
- „Der handwerklich sehr ordentlich gemachte NÄCHTE DES GRAUENS war zu seiner Zeit sicherlich ein Gruseler erster Klasse, ist aber im Laufe der Jahre etwas angestaubt und nicht mehr sehr wirkungsvoll.““ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)