ZOMBIES UNTER KANNIBALEN
I 1980 / O: "Zombi Holocaust" / AT: "Dr. Butcher MD"; "The Island of the Last Cannibals"; "Queen of the Cannibals"; "Zombie Kannibalen" / Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ungeprüft und indiziert
Regie: Marino Girolami [als Frank Martin] / Musik: Nico Fidenco / Kamera: Fausto Zuccoli / Prod.: Fabrizio De Angelis, Gianfranco Couyoumdjian / Buch: Romano Scandariato / Story: Fabrizio De Angelis
Ian McCulloch (Dr. Peter Chandler), Alexandra Delli Colli (Lori), Donald O'Brien (Dr. O'Brien [OV: Dr. Obrero; US-Version: Dr. Butcher]), Sherry Buchanan (Susan Kelly), Peter O'Neal (George Harper), Dakar (Molotto) sowie Walter Patriarca, Linda Fumis, Roberto Resta, Franco Ukmar u.a.
„Niemand wird mich an meinem Vorhaben hindern. Ich bekomme Ihr Gehirn für mein Experiment!“
Ab Mitte/Ende der 70er Jahre torpedierten italienische Exploitation-Filmer den Rest der Welt mit allerlei cineastischen Leckereien: da wäre einerseits der Kannibalenfilm zu nennen, in denen die Regie-Köche Umberto Lenzi (MONDO CANNIBALE, 1972; LEBENDIG GEFRESSEN, 1979; DIE RACHE DER KANNIBALEN aka CANNIBAL FEROX, 1981), Ruggero Deoadato (MONDO CANNIBALE II, 1976; CANNIBAL HOLOCAUST, 1979) und Joe D’Amato (NACKT UNTER KANNIBALEN, 1977; MAN-EATER, 1980) vollmundig zelebrierte Schlachtfeste kreierten. Ab 1978/79 kam im Zuge des weltweiten Erfolges durch George A. Romeros DAWN OF THE DEAD (1978) noch der Zombiefilm dazu, für den sich insbesondere Grand Master Lucio Fulci (WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES; EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL; DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES) mächtig ins Zeug legte.
Wer sowohl vom Zombie- als auch dem Kannibalenfilm „Made in Italia“ noch nie genug haben konnte, für den servierte Italiens Regieveteran Marino Girolami (1914 – 1994) unter seinem bewährtem Pseudonym Frank Martin 1980 die volle Dröhnung: ZOMBIES UNTER KANNIBALEN ist, zumindest vom Titel her, die kuriose Mischung aus beiden berühmt-berüchtigten Sub-Genres:
Oh Schreck, oh Graus‘
Im New Yorker Krankenhaus
Gibts ’nen verrückten Leichenschmaus
Da geht einer um und nimmt die Toten aus
Als man ihn erwischt, diesen Kannibalen-Klaus
Da stürzt er sich aus dem Fenster raus
Kannibalische Umtriebe – und das mitten in New York! Doch nicht nur im Krankenhaus, in dem die Anthropologin Lori (Alexandra Dello Colli) beschäftigt ist, gehen die Leichenräuber um: Von Dr. Peter Chandler (Ian McCulloch), dem FBI-Fachmann für medizinische Angelegenheiten, erfährt sie dass es in ganz Amerika Vorfälle von Kannibalismus gibt. Die Spur führt schließlich zu den Molukken (Für alle, die jetzt zu faul sind, um bei Wikipedia nach zu schauen: das ist eine indonesische Inselgruppe, die zwischen Sulawesi und Neuguinea liegt). Der smarte Dr. Chandler hat inzwischen eine Expedition auf die Beine gestellt, um den Ursprung des Kannibalismus auf den Grund zu gehen. Neben ihm und Lori sind auch noch Assi George (Peter O’Neal) und dessen Freundin, die Journalistin Susan Kelly (Sherry Buchanan), mit dabei.
Ein Merkmal für das wirre, zusammengeschusterte Drehbuch: die Kannibalismus-Vorfälle in den USA, die erst zu der haarsträubenden Expedition führten, sollen im weiterem Verlauf keine Rolle mehr spielen. Weder gibt es eine Erklärung dafür, noch scheint dies jemanden zu interessieren. Am wenigsten scheint es den Machern selbst gejuckt zu haben, dass es zwischen den Ereignissen in den USA und auf der Insel keinerlei Zusammenhang gibt.
Auf den Molukken wird das willkürlich zusammengewürfelte Expeditionsteam vom zwielichtigen Dr. O’Brien (Donald O’Brien) empfangen – und den im Busch hausenden Kannibalen, die der menschlichen Frischfleischlieferung freilich nicht abgeneigt sind. Wer von ihnen nicht verzehrt wird, landet stattdessen auf dem Operationstisch vom irren Dr. O’Brien: der führt an unschuldigen Opfern Gehirnoperationen durch, so das sie dann nur noch als willenlose Zombie-Gestalten durch den Dschungel latschen. Das passt dem ansässigen Kannibalenstamm freilich überhaupt nicht und so kommt es zum alles entscheidendem Match: Modrige Zombie-Lumpen vs. Verfressene Kannibalen-Hackfressen. Wohl bekomm’s!
„Seltsame Dinge geschehen im Krankenhaus, mehrere Leichenteile sind einfach verschwunden. Heute musste ich feststellen, dass jemand eine Hand gestohlen hat.“
Bezeichnend für den ganzen Film: Wo er zu Beginn im amerikanischen Krankenhaus-Milieu spielt, so wird bei diesem Ort, zumindest aus italienischer Sicht, einzig und allein der Leichenkammern-Charakter herausgekehrt. Hier bekommt man also Einblick in eine Einrichtung wo man nicht unbedingt gesund wird, dafür sich aber die Toten nur so türmen. Könnte man auch als Kommentar auf das amerikanische Gesundheitssystem verstehen. Wer noch nie ein Krankenhaus von innen gesehen hat, muss doch bei diesem filmischen Beitrag zum Thema „Gesundheit und Vorsorge“ denken, dass so ein Hospital in den USA ein einziger, riesengroßer Pathologie-Saal ist. Dort kommt der Leichenkammern-Prof. ob der verschwundenen Körperteile ins Grübeln: „So einen Vorfall könnte ich mir nur unter primitiven Völkern vorstellen.“ Dazu seine Assistentin: „Glauben Sie wirklich, dass wir uns so sehr von ihnen unterscheiden?“ Nun, wenn man solche Filme mit solchen Aussagen dreht: ganz bestimmt nicht. Typisch für so einen Italo-Kannibalo-Brutalo: Die aufgesetzte Pseudo-Gesellschaftskritik, die voll nach hinten losgeht und schon mal in blanken Rassismus ausartet. Da wird über „primitive Einwohner“ schwadroniert, die „als Studienobjekt äußerst interessant sind; und überhaupt wimmelt es nur so von lauter unzivilisierten Wilden, grausam und abergläubisch.“
Merke: im italienischen Kannibalenfilm ist die Hetze über vermeintlich Wilde darauf ausgerichtet, dass die Besucher, die vom großen Teich ins Dschungelcamp des Grauens eingeflogen werden, die „eigentlichen Bösen“ sind. Also wenn die vermeintlich Zivilisierten sich unzivilisierter verhalten als die angeblich Unzivilisierten und sich benehmen wie die sprichwörtliche Axt im Walde. Auf diese Masche waren insbesondere CANNIBAL HOLOCAUST und CANNIBAL FEROX ausgerichtet, doch hier ist es nur so ein wirrköpfiger Mad Scientist, der auf den Molukken schauerliche Experimente durchführt. Das die Kannibalen freilich mehr Opfer und weniger Täter sind wird aber auch hier ziemlich plump dargestellt.
„Die Eingeborenen haben uns überfallen, ich habe für uns schwarz gesehen!“
Hier ist es also der irre Wissenschaftler, der zumindest in der deutschen Fassung so heißt wie sein Darsteller und dessen Gehirntransplantationen natürlich ausschließlich im Dienste der Wissenschaft geschehen. Hier wird skalpiert und schwadroniert. Ausgewähltes Gequältes aus dem Doktoren-Monolog: Bevor er die Messer wetzt, um das Hirn von (noch) lebenden Menschen in den Nischel von nicht mehr lebenden Personen zu verfrachten, sudelt Menschenverbesserer O’Brien vom „ewigen Leben“, dass er „die Natur schöpferisch korrigieren will“, mit dem Ziel „das Leben eines Menschen gleich um ein paar hundert Jahre zu verbessern“ und bla… Und wenn der irre Metztel-Doc dazu ansetzt, den Denkapparat der hirnblonden Journalisten-Uschi in den Schädel von so einem Buschmann, der schon ’ne Woche tot auf der Pritsche liegt, einzupflanzen, da röchelt zur Voodoo-Mucke die Gruselstimme aus dem Off „Zombie! Töte! Blut!“ Wohl gemerkt nur in der deutschen Fassung.
Tja, und was in so einem zünftigen Zombie-Kannibalen-Match nicht fehlen darf: das ganze Repertoire an so richtig schön widerwärtigen, abstoßenden, Ekel erregenden, tricktechnisch eher im bescheidenem Rahmen vorgetragenen Körper-Zerstückelungs-Happenings:
Der Körper total zerwichst
Denn es wurde lustvoll in Gedärmen gewühlt
Der Wanst ratzbatz aufgeschlitzt
Im Blut sich genüsslich gesuhlt
Hier mal eine Hand abgeknipst
Da ein Auge rausgepuhlt
Und die Kehle durchgeritzt
Wo lebende Tote gegen nicht mehr lebende Untote und die wiederum gegen noch lebende Nicht-Tote antreten, da wird unsere forsche Anthropologin Lori vom Kannibalenstamm gekidnappt, ihrer Kleidung beraubt, angepinselt und als „Weiße Göttin“ verehrt – ihr persönlicher Ritus des Aufsteigens. Natürlich nacksch! Ihr Kollege Peter gibt derweil noch ein gutes Beispiel ab für: „Wo Männer noch Männer sind“. Und so erschlägt er hungrige Kannibalen einfach mit einem Stock und zerhackstückelt einen angreifenden Zombie mit dem geschwind demontierten Motorboot-Außenbordmotor.
Gehirntransplantation, Mad-Scientist-Mär, Krankenhaus-Horror, Fressorgie, menschliche Schlemmerpfanne, Weiße-Göttinnen-Kult, Zombie-Gewusel – hier hat man auch gar nichts ausgelassen. Außer den Verstand. Was man diesem abstrusen Zombie-Kannibalenfilm-Crossover positiv attestieren kann: Es verzichtet, im Gegensatz zu anderen italienischen Blutschluckern, auf jeglichen Tier-Snuff. Immerhin.
Rein rationell gesehen ist ZOMBIES UNTER KANNIBALEN freilich ein ziemlich grobschlächtiger Unsinn: der fehlende Zusammenhang zwischen all den abstrusen, lieblos aneinander geklatschten Dingen, die hier passieren, lassen eine stimmige Atmosphäre gar nicht erst zu. Die zahlreichen billigen und teils menschenverachtenden Gore-Sequenzen, in denen sich die ZOMBIE KANNIBALEN (einer von mehreren Alternativtiteln) suhlen, mögen Marino Girolami von Produzentenseite her aufgedrängelt worden sein. Wie unbeholfen er diese umsetzt merkt man seiner unsicheren, schludrigen Inszenierung an; auch, dass dies alles hier eigentlich so gar nicht sein Metier ist. Als Anhänger und Bewunderer der italienischen Exploitationkunst kann man mit dieser obskuriosen Chose hier durchaus seinen Spaß haben, gerade weil sämtliche Beteiligten (sowohl vor als auch hinter der Kamera) dieses Gewimmel so furchtbar ernst nahmen. Was mir natürlich viel lieber ist als gequälte Ironie oder „gewollter Trash“. Gelangweilt hab‘ ich mich auch nicht; das ließen all die Absurditäten auch nicht zu.
- Zombie-Erfahrung konnte Ian McCulloch bereits in Lucio Fulcis WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES sammeln, sogar in einer ähnlichen Rolle. Da konnte er auch gleich am Set bleiben, denn die wurden hier wieder verwendet.
- Die VHS-Version vom Anbieter Eurovideo wurde 1986 wegen des „gewaltverherrlichenden Charakters“ durch das Amtsgericht Tiergarten beschlagnahmt. Die dann nur noch 74 Minuten lange, um sämtliche Splatterszenen beraubte VHS-Version des Anbieters GM-Film landete dennoch auf dem Index.
- „Frank Martin schuf ein derbes Sammelsurium an Gewaltdarstellungen wie man es aus diversen Verstümmelungsorgien dieser Kategorie gewohnt ist.“ (Andreas Bertler, HÖLLE AUF ERDEN)
- „Der Film zieht alle Vorurteile auf sich, die das Genre so in Verruf gebracht haben. Hier werden in drastischen und blutig-realistischen Bildern menschenverachtende Zerstörungs- und Tötungsorgien zelebriert, die handwerklich nicht das halten können, was der Inhalt verspricht.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Ekliger Schrottfilm aus der italienischen Billigproduktion, der die Zombie-Masche buchstäblich ausschlachtet.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)
- „Ekelhafter Film.“ (HEYNE FILMLEXIKON)