RED
USA 2010 / O: "Red" / Prod.: Summit Entertainment, Di Bonaventura Pictures, DC Entertainment / Laufzeit: 111 Min. (Kino) / FSK: ab 16
Regie: Robert Schwentke / Musik: Christophe Beck / Kamera: Florian Ballhaus / Schnitt: Thom Noble / Ausf. Prod.: Jake Myers, Gregory Noveck / Prod.: Lorenzo di Bonaventura, Mark Vahradian / Buch: Jon Hoeber & Erich Hoeber, basierend auf der Graphic Novel von Warren Ellis und Cully Hamner
Bruce Willis (Frank Moses), Morgan Freeman (Joe Matheson), John Malkovich (Marvin Boggs), Helen Mirren (Victoria), Mary-Louise Parker (Sarah Ross), Karl Urban (William Cooper), Brian Cox (Ivan Simanov), Richard Dreyfuss (Alexander Dunning), Ernest Borgnine (Henry), Rebecca Pidgeon (Cynthia Wilkes), Julian McMahon (Robert Stanton), James Remar (Gabriel Singer), Chris Owens (erhängter Mann), Greg Bryk (Feuerwehrmann), Heidi von Palleske (Nachbarin), Jacqueline Fleming (Marna), Tony De Santis (Sicherheitschef), Emily Kuroda (Mrs. Chang), Michelle Nolden (Michelle Cooper) sowie Jonathan Lloyd Walker, Jason Giulano, Lawrence Turner, Joe Chrest, Justine Wachsberger, Tara Yelland, Jefferson Brown, Audrey Wasilewski, Dmitry Chepovetsky, Matthew Olver u.a.
Aufstand der Alten
Frank Moses (Bruce Willis, ARMAGEDDON; HOSTAGE) genießt mehr recht als schlecht sein eher tristes Pensionsleben. Er steht auf, macht sich seine Mahlzeiten, züchtet eine Avocado, karrt die Mülltonne raus, hält sich mit seinem Training in Form, bewundert die Weihnachtsbeleuchtung, die seine Nachbarn um ihre Häuser gewickelt haben und geht dann irgendwann wieder ins Bett. Abwechslung hierbei bringen die Anrufe mit der sympathischen, jungen Frau von der Pensionskasse, Sarah Ross (Mary-Louise Parker). Der nächtliche Angriff schwer bewaffneter Männer, die ihm nach dem Leben trachten, macht deutlich, dass dieser Frank Moses doch kein gewöhnlicher Rentner ist. Der ehemalige CIA-Agent zeigt’s dem Jungvolk, was ’ne Harke ist. Zurück bleiben diverse Leichen und rauchende Trümmer…
Robert Schwentkes Leinwandadaption einer Graphic Novel zeigt einmal mehr, dass man Menschen, nur weil sie ein paar Jahre hinter sich haben, nicht so ohne weiteres auf’s Altenteil abschieben kann. Was auch einige Retrofilme in den vergangenen Kinojahren bewiesen haben. Möge man den nachfolgend genannten Filmen zurecht kritisch gegenüber stehen und von ihnen halten was man will, aber wo gerade Dollywood emsig daran arbeitet, uns irgendwelche langweilige Jungspunde als neue Superstars oder Kinohelden unterzujubeln, ist es doch was wunderbares, wenn man den Heroen aus Kindheitstagen immer mal wieder auf der Leinwand begegnet. Sei es nun Harrison Ford in INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS (2008) oder Sylvester Stallone in seinen Paraderollen als Rocky und Rambo.
Oder eben unser aller Liebling Bruce Willis, der im Revival der alten Haudegen natürlich nicht fehlen darf. Egal ob nun in seinem 4. Auftritt als John McClane (STRIB LANGSAM 4.0, 2007), seiner Rolle in COP OUT (2010), Kevin Smiths Hommage auf die Buddy- und Actionfilme der 80er Jahre, oder einem Cameo in Stallones THE EXPENDABLES (2010), dem Gipfeltreffen der Action-Dinosaurier. Dort feierte auch Kollege Schwarzenegger eine kurze Wiederauferstehung auf der Leinwand, doch während er im realen Leben (nämlich als Politiker) ein noch schlechterer Schauspieler wurde als in seiner Kino-Ära, hat Willis seine Qualitäten reifen lassen. Wie ein guter Wein. Wenn er hier zu Beginn einsam und isoliert in seinem Häuslein hockt und gar nicht weiß was er anstellen soll, was schon tragische Züge durchschimmern lässt, nimmt man das ihm genauso ab wie wenn er den coolen Actionhelden rauskehrt: trickreich, schießwütig, schlagfertig.
Die eigentliche Story ist zugegebenermaßen nicht sonderlich originell und wurde so oder so ähnlich schon in diversen B-Movies verbraten, was hier aber nicht weiter ins Gewicht fällt. Im Grunde genommen kann man die Geschichte, die hier für turbulente Actioneinlagen, aber auch verbale Frotzeleien und rührende Herzlichkeiten dient, als Reminiszenz auf bekannte Filmmuster deuten. Wenn das Drehbuch es menscheln lässt, gerät die eher x-beliebige Verschwörungshandlung schnell in den Hintergrund: nebenbei bemerkt geht es um einen Jahre zurück liegenden, geheimen Einsatz in Guatemala, einem naiven Vizepräsidenten, der darin verwickelt ist, und eine Liste mit den Namen derjenigen Personen, die damit zu tun hatten und nun eliminiert werden sollen – inklusive Frank Moses. Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist aber wenn er seine alten Weggefährten aufsucht und mit ihnen gemeinsame Sache macht.
Hier offenbart RED seine eigentliche Stärke: wenn Bruce Willis zusammen mit seinen Co-Stars agiert und reagiert. Zuerst besucht er im Altersheim den altersweisen Morgan Freeman (DEEP IMPACT; AUSSER KONTROLLE), der sich dort von der Schwester den Fernseher einstellen lässt, nur um ihr auf den Hintern zu schauen. Später darf er noch in eine obskure Verkleidung schlüpfen und hat immerhin die Ehre, gleich zwei Mal aus der Handlung zu verschwinden.
Bei John Malkovich könnte man mäkeln, dass er hier etwas zu sehr auf die Rolle des vermeintlich Irren reduziert wird, muss aber zugeben, dass er für die meisten Brüller sorgt. So benutzt er als paranoider, stets gut getarnter Verschwörungstheoretiker die Motorhaube einer alten Rostlaube von Auto dazu, um in seine eigentliche Wohnung zu gelangen („Das Haus ist nur eine Tarnung“): ein unterirdischer Bunker incl. Stauraum für die umfangreiche Aktensammlung. Seine Auftritte bringen viele tolle Grimassen und Gesichtsverrenkungen mit sich. Köstlich ist zum Beispiel jene Szene, in der er – entsprechend ausgerüstet – mit wutverzerrter Miene den Vizepräsidenten mitsamt seinen zwei Bodyguards in die Flucht schlägt oder mit dem rosa Quietscheschweinchen unter’m Arm spazieren geht.
Und dann kommt auch noch die großartige Helen Mirren ins Spiel, die hier eine Würde ausstrahlt wie in ihrem umwerfenden Auftritt als DIE QUEEN (2006) und zugleich ihre Lust auf großkalibrige Waffen voll ausspielen darf. Es sind Momente des schwarzen Humors, wenn sie zu ihren Liebschaften Stellung bezieht („Ich töte Menschen!“) und offenbart, dass sie in ihrer Pensionszeit ab und zu mal noch einen Auftrag angenommen hat, frei nach dem Motto: was man ein Leben lang getan hat, das lässt einem auch im Alter nicht mehr los. Und so darf sie ganz Lady like das Maschinengewehr rattern lassen und das macht sie mit so viel Routine, dass keine Zweifel aufkommen das sie nichts anderes in ihrem Leben gemacht hat
Jeder von ihnen könnte hier in seiner Rolle einen ganzen Film alleine stemmen, doch funktioniert RED im besonderem Maße als launiges, vergnügliches Ensemblestück, egal ob man nun beim Tee zusammensitzt, gemeinsam Wodka in der Waldhütte trinkt oder mit allen zur Verfügung stehendem Mitteln böse Buben killt. Die Besetzung in diesem Film ist ein wahrer Trumpf und allein schon das Eintrittsgeld wert. Und es geht noch weiter: bis in die Nebenrollen hinein bringt RED ein Wiedersehen mit lauter bekannten und vertrauten Gesichtern mit sich, so das man sich wie auf einer Party im Kreise guter Freunde wähnt.
Eines der Glanzlichter des Films ist der wunderbare Brian Cox (AUSSER KONTROLLE), der als ausgebuffter russischer Ex-Spion (trinkfreudig und mit ganz viel Herz) seine alte Liebe zu Helen Mirren entflammen darf, während ein arroganter Richard Dreyfuss (PIRANHA 3D) als fieser, skrupelloser Waffenhändler inständig darauf pocht, dass er hier der Bösewicht ist. Nicht zu vergessen: Hollywood-Dino Ernest Borgnine, der sich als verschmitzter CIA-Archivar seine 93 Jahre (!) überhaupt nicht anmerken lässt und den man gerne etwas länger gesehen hätte als in seinen zwei kurzen Auftritten.
Überzeugend agiert auch Karl Urban (der „neue“ Dr. McCoy in J. J. Abrahams STAR TREK) als Frank Moses Verfolger und Nachfolger mit dem Auftrag eben diesen aus dem Verkehr zu ziehen. Auch wenn er daran nicht nur einmal scheitert, so kommt Aufgeben für ihn überhaupt nicht in Frage. Dabei lässt das Drehbuch Urban nicht eindimensional agieren, sondern als Bruce Willis‘ Bruder im Geiste und zugleich besorgter Vater zweier Kinder auftreten. In weiteren Rollen sind dann noch Julian McMahon (bekannt aus den TV-Serien CHARMED, NIP/TUCK und PROFILER) als ahnungsloser Vizepräsident, Rebecca Pidgeon als eiskalte CIA-Chefin und James Remar (SCHATTEN DER WAHRHEIT), der recht schnell gekillt wird, zu sehen. Eine Besetzung zum niederknien.
Der Geschichte selbst geht zum Schluss die Puste aus: so fällt das Finale, in dem alle Parteien aufeinander treffen und die Verschwörung aufgedeckt wird, etwas kurz und abgehackt aus. Aber auch das fällt nicht weiter negativ ins Gewicht. Lob gebührt hier unserem Hollywood-Emigranten Robert Schwentke, dessen kurzweilige Inszenierung in keiner Form Leerlauf entstehen lässt. Pointierte, treffsichere Dialoge und groteske Situationen wechseln sich ab mit einigen sehenswerten Actionmomenten in Form von Explosionen, Schießereien und Verfolgungsjagden, die das Geschehen jedoch nicht dominieren, was nur gut sein kann. Auch wissen die hübschen Regie-Einfälle zu gefallen: etwa die Blende, die sich von einer Pupille zu einer Patronenhülse vollzieht oder verspielte Postkartenmotive als Szenenübergänge, die den Wechsel des Handlungsortes untermalen.