„Ich habe einen Gehirn-Vampir erschaffen!“
Regie: Arthur Crabtree / Musik: Buxton Orr / Kamera: Lionel Banes / Schnitt: R. Q. McNaughton / Ausf. Prod.: Richard Gordon / Prod.: John Croyden / Buch: Herbert J. Leder / LV: „The Trought Monster“ von Amelia Reynolds Long / Spezialeffekte: Ruppel & Nordhoff, Peter Neilson
Darsteller: Marshall Thompson (Major Jeff Cummings), Kim Parker (Barbara Griselle), Kynaston Reeves (Prof. Walgate), Terence Kilburn (Chester), Stanley Maxted (Col. Butler), Peter Madden (Dr. Bradley), James Dyrenforth (Bürgermeister), Robert MacKenzie (Constable Gibbons), Gil Winfield (Dr. Warren), Michael Balfour (Sgt. Kasper) sowie Kerrigan Prescott, Launce Maraschal, R. Meadows White, Lala Lloyd, Shane Cordell u.a.
Schreckliche Dinge gehen da in der näheren Umgebung einer kanadischen Militärbasis vor sich: immer wieder werden Menschen mit schreckverzerrten Gesichtszügen tot aufgefunden. Nicht weniger mysteriös sind die Obduktionsergebnisse: durch zwei Löcher im Nacken wurden den Opfern Gehirn und Rückenmark ausgesaugt. Der mit den Untersuchungen beauftragte Major Jeff Cummings (Marshall Thompson) schlussfolgert schon bald: „Es sieht so aus, als wäre ein Kopfvampir am Werk.“ Während sich der örtliche Dorfmob zusammengerottet hat und die „Abwehrbasis für Feuerraketen“ mit ihren möglicherweise radioaktiven Abfällen für die Todesfälle verantwortlich macht, sucht Major Cummings den abgeschottet lebenden Prof. Walgate (Kynaston Reeves) auf. Dieser nutzt die nukleare Energie der Militärbasis um so seine Experimente zur Materialisierung von Gedanken zu verwirklichen. Dummerweise verselbständigen sich seine Gedanken und treiben nun als unsichtbare, Gehirn und Rückenmark aussaugende Monster ihr Unwesen…
Auf der Suche nach einem verfilmbaren SF-Stoff gelangte Produzent Richard Gordon 1958 durch Empfehlung von Forrest J. Ackerman an die Kurzgeschichte „The Thought Monster“, die 1930 von Amelia Reynolds Long (im übrigen eine der ersten und auch ganz wenigen weiblichen Science-Fiction-Autoren ihrer Zeit) geschrieben und in den legendären „Weird Tales“ veröffentlicht wurde.
Die im Science-Fiction- und Monsterfilm-Genre der 50er Jahre allgegenwärtigen Themen „Atomkraft“, „Radioaktivität“ und „Kalter Krieg“ spielten da freilich noch keine Rolle und wurden erst von Drehbuchautor Herbert J. Leder dem damaligen Zeitgeist entsprechend in die Geschichte integriert.
Rückblickend betrachtet ging man auch hier ziemlich leichtfertig und naiv mit der Thematik um (Radarpeilversuche mittels Atomkraft!), was aber vom U-Boot-Invasionsheuler AUF DER U-17 IST DIE HÖLLE LOS, der zudem ganz offensichtlich und ziemlich plump Atombomben-Propaganda betrieb, noch getoppt wurde. Aber nicht immer müssen die Macher solcher Filme (in diesem Fall also Regisseur Crabtree, Autor Leder und Produzent Gordon) Verfechter der nuklearen Energie gewesen sein, griffen sie letzten Endes auch nur ein Thema auf, das anno dazumal die öffentliche Meinung beschäftigte.
Trotzdem hält man sich auch hier zu Beginn mit der Demonstration und Erklärung von diesem „Geschoß-Abwehrprogramm“ auf, aber in Zeiten des Kalten Krieges, der in den 50ern so richtig aufzublühen begann, galt es dem damaligen Kinopublikum die Wichtigkeit einer solchen Einrichtung näher zu bringen. Und um die eigene Sicherheit und Vormachtsstellung zu sichern, ist es eben erforderlich „die Russen Tag und Nacht bis in ihr letztes Dorf“ zu beobachten. Neben Teleskopantennen, Radargeräten und Kampfjets in Großaufnahme werden einige negative Folgen für die dortigen Bewohner aufgezeigt, etwa wenn ein Begräbnis von permanenten Düsenflieger-Lärm gestört wird.
Ursprünglich als Beiprogramm zu dem Boris-Karloff-Film THE HAUNTED STRANGLER gedacht, lief UNGEHEUER OHNE GESICHT zunächst im Doppelprogramm und wenig später eigenständig und recht erfolgreich im Kino. Wird das anfängliche militärische Geplänkel erst einmal beiseite gelassen, entwickelt sich eine immer bizarrer werdende Geschichte um außer Kontrolle geratene Gedanken, verschwundene Gehirne und fehlendes Rückenmark.
Wie in der Kurzgeschichte von Amelia Reynolds Long bleibt das Grauen zunächst unsichtbar, kündigt sich hier aber mit stapfenden Schritten und schlürfenden Geräuschen an. Natürlich musste man aber dem Publikum etwas bieten und so nehmen die Kopfvampire in der letzten Viertelstunde Gestalt an, während sie in der Kurzgeschichte bis zum Schluss unsichtbar blieben.
Werden die Kopfvampire durch die verstärkte Zufuhr von atomarer Energie erst einmal sichtbar, gibt es unzählige kriechende, schnaubende und fauchende Gehirn-Klumpen mit Fühlern und Wirbelsäulen-Wurmfortsatz zu entdecken. Mit diesem herrlich grotesken Anblick setzt UNGEHEUER OHNE GESICHT eine kleine Fußnote im Kuriositätenkabinett der 50er-Jahre-Monster. Hierbei gefällt auch heute noch die tricktechnische Umsetzung, wenn auch aus nostalgischen Gründen. Was sich hier einen bietet ist ein wunderbares Stop-Motion-Gezappel, dass die Kopfvampire kriechen, springen und fliegen lässt. Die seinerzeit ausgefeilten Effekte im Harryhausen-Stil entstanden damals in München bei einer Firma namens Ruppel & Nordhoff und sind heute eher kurios anzusehen, aber nicht weniger sehenswert als damals. Im Finale geht es rabiat und gorig zur Sache, wenn die springenden Gehirn-Klumpen zermatscht und zerschossen werden und dabei das Blut wie kochende Marmelade aus ihnen heraus blubbert. Zum Schluss nimmt UNGEHEUER OHNE GESICHT auch einen entscheidenden Handlungsteil vorweg, der später in Hitchcock’s DIE VÖGEL und Romero’s DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN weiter ausgebaut wurde: nämlich wenn die Protagonisten sich vor der lauernden Monster-Gefahr in einem abgelegenen Landhaus verbarrikadieren.
Eine adäquate DVD-Veröffentlichung von UNGEHEUER OHNE GESICHT findet sich in Anolis‘ liebevoll aufgemachter „Galerie des Grauens“ wieder, wo er (nach DIE TEUFELSWOLKE VON MONTEVILLE, DAS VERMÄCHTNIS DES PROF. BONDI, AUF DER U-17 IST DIE HÖLLE LOS und DIE NACHT DER UNHEIMLICHEN BESTIEN) als 5. Beitrag in den schicken Pappschuber wandert.
Beim 6. Teil handelt es sich um RAKETE 510, mit dem die Produzenten Richard Gordon und John Croyden ihre Zusammenarbeit mit DAKTARI-Doc Marshall Thompson fortsetzten.
- Eigentlich wollte Autor Herbert J. Leder die Gelegenheit nutzen, um mit UNGEHEUER OHNE GESICHT sein Regiedebüt zu geben, doch die Wahl fiel schließlich auf den Briten Arthur Crabtree, dessen letzter Film 1959 auch sein bekanntester war: DAS SCHWARZE MUSEUM mit dem unnachahmlichen Michael Gough
- Richard Gordon produzierte 1966 den Terence-Fisher-Streifen ISLAND OF TERROR mit Peter Cushing: Dort saugen die Monster ihren Opfern die Knochen aus den Körpern
- Hier noch als Regieassistent tätig: Douglas Hickox, der 1973 mit THEATER DES GRAUENS und Vincent Price in der Hauptrolle einen der besten und schwarzhumorigsten britischen Horrorfilme inszenierte