SEVERANCE
GB/D 2006 / O: "Severance" / Prod.: Qwerty Films; UK Film Council; Isle of Man Film; N1 European Film Produktions; Dan Films Produktion / keine Jugendfreigabe / 92 Min. (uncut)
Regie: Christopher Smith / Musik: Christian Henson / Kamera: Ed Wild / Schnitt: Stuart Gazzard / Ausf. Prod.: Michael Kuhn, Steve Christian / Prod.: Jason Newmark / Buch: James Moran, Christopher Smith / Story: James Moran
Danny Dyer (Steve), Laura Harris (Maggie), Tim McInnerny (Richard), Toby Stephens (Harris), Claudie Blakley (Jill), Andy Nyman (Gordon), Babou Ceesay (Billy), David Gilliam (George), Juli Drajkó (Olga), Judit Viktor (Nadia), Sándor Boros (Busfahrer) sowie Levente Törköly, János Oláh, Attila Ferencz, Bela Kasi, Roland Kollárszky, Péter Katona, Levente Lezsák, Nick Greenall, Matthew Baker, John Frankish u.a.
Beworben wurde SEVERANCE als eine weitere HOSTEL / WOLF CREEK / WILDERNESS-Variante, womit man Christopher Smiths zweitem abendfüllendem Film nach seinem U-Bahn-Horror CREEP (2004, mit Franka Potente) in keinster Weise gerecht wird und lediglich im Zuge der damals aktuellen Psychopathen- und Terrorfilm-Welle nach potentieller Kundschaft schielte. Mit HOSTEL hat er nur die Ausgangsidee gemein: Eine kleine Gruppe westlicher Bürger begibt sich auf einen Kurztrip in den ehemaligen Ostblock, wo sie das kalte, nackte Grauen erwischt – mit aller Härte.
Was man Eli Roths HOSTEL vorwarf, nämlich das er die Osteuropäer (in seinem Fall waren es Tschechen) als reine Klischeebilder charakterisierte (so wie es sich schlichter gestrickte Gemüter in ihrem beschränkten Weltbild vorstellen), könnte man auch Christopher Smith unterstellen. Doch Smith geht in eine andere Richtung. Er treibt die Sache auf die Spitze und macht sich einen Spaß draus. Bei ihm sind es ehemalige Elitesoldaten, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wie Wilde im Wald hausen – dafür aber eben perfekt ausgebildet, bis an die Zähne bewaffnet und mit dem Drang, unbescholtene westliche Bürger zu eliminieren. Ihnen gegenüber: sieben Mitarbeiter eines renommierten Waffenkonzerns, die auf einem Betriebsausflug in den Wäldern von Ungarn eigentlich lernen sollen, was „Team Work“ wirklich bedeutet. Das werden sie auch. Gerade durch diese Kombination bekommt SEVERANCE in Zeiten des realen Terrors und Rüstungswahns einen aktuellen Zeitbezug, der sich in vielen galligen Seitenhieben und boshaften Dialogen wieder spiegelt (zu Beginn ist von „inhumanen Waffen“ die Rede). Und auch die Tatsache, daß die Waffenhersteller zum Teil auch von ihren eigenen Waffen (z.B. eine Tretmine) geschlagen werden.
Erfreulich bei SEVERANCE ist auch, daß, im Gegensatz zu den meisten „Gehe nicht in den Wald!“-Filmen der letzte Jahren, keine pubertierende Teenager-Twens das Geschehen dominieren, sondern treffend gezeichnete, erwachsene Menschen, die sich streiten, miteinander konkurrieren und auch sonst gegenseitig auf den Wecker gehen. Wie Menschen eben so untereinander sind. Die völlig unterschiedlichen Charaktere sind so gut getroffen, daß einem deren Tod wirklich nahe geht, während einem das Schicksal jugendlicher Protagonisten in anderen Filmen überhaupt nicht interessiert, von der Art, wie sie denn sterben, mal abgesehen.
SEVERANCE funktioniert als Ensemblefilm ausgesprochen prächtig: Da ist Abteilungsleiter Richard (Tim McInnerny), der Mühe hat, den kleinen, streitbaren Haufen zusammen zu halten und in brenzligen Situationen ziemlich hilflos und geschockt agiert. Einer, dem die Dinge außer Kontrolle geraten – mitsamt den ihm unterstellten Personen: Da wären etwa der dauernd zugedröhnte Steve (Danny Dyer), Gordon (Andy Nyman), der trottelige Arschkriecher oder Harris (Toby Stephens), der sich selbst für den besten Waffenverkäufer und für unverzichtbar hält. Nicht zu vergessen die beiden Damen in diesem blutigen Spiel: Maggie (Laura Harris), die attraktive Blonde mit Charme und Grips, auf die die Männer im Team so sehr abfahren, und Jill (Claudie Blakeley), die am liebsten nur noch humane Waffen bauen möchte – ein echter Menschenfreund eben. Sie alle wollten (oder mussten?) an diesem Teamwork bildenden Betriebsausflug teilnehmen und finden sich in einem hässlichen Wald voller Bärenfallen, Tretminen und sadistischen Ex-Söldnern wieder.
Wie schon im fabelhaften SHAUN OF THE DEAD zeigt sich, daß die weniger ernsten Filme besser funktionieren als die, die sich selbst viel zu ernst nehmen. Ist bei Menschen übrigens auch so.
Selbst als der Film sich im letzten Drittel auf die genretypischen Elemente beschränkt (die Jagd und die Flucht durch den Wald) verliert er nichts von seinem Biss und seiner Treffsicherheit. Neben verrückten Traumsequenzen und absurden Drogenrauschszenen hat Smith einige herrliche Einfälle parat: So sehen wir aus der Sicht eines abgeschlagenen Kopfes, wie es sich wohl anfühlen mag, über den Waldboden zu purzeln und zuzusehen, wie das Blut aus dem eigenen Hals nur so spritzt. Bei all der Komik verliert Smith nie Spannung und Atmosphäre aus dem Auge, zwei wichtige Zutaten, die durch die kongeniale musikalische Untermalung abgerundet werden. Im Vergleich dazu war CREEP nur eine Fingerübung, SEVERANCE dagegen der absolute Volltreffer, der in allen Belangen punkten kann. Insofern kann man schon auf die nächste Regiearbeit von Christopher Smith gespannt sein.