11-11-11
USA / Spanien 2011 / O: "11-11-11" / Prod.: Big Air Studios; Rockett Relaising; Capacity Pictures; Canonigo Films; Epic Pictures Group / Laufzeit: 97 Min. (uncut; Blu-ray) / FSK: ab 16
Regie + Buch: Darren Lynn Bousman / Musik: Joseph Bishara / Kamera: Joseph White / Schnitt: Martin Hunter, Jeremy Kasten / Ausf. Prod.: Shaked Berenson, Laura Bousman, Patrick Ewald, Russell Hollander / Co-Prod.: Mariví de Villanueva, Carlos Gari / Prod.: Wayne Rice, Richard Heller, Ferran Monje, Valeria Marini, Christian Molina
Timothy Gibbs (Joseph Crone), Michael Landes (Samuel Crone), Wendy Glenn (Sadie), Ángela Rosal (Anna), Denis Rafter (Richard Crone), Lolo Herrero (Buchhändler), Lluís Soler (Javier Cavell), Brendan Price (Grant), Salomé Jiménez (Sarah), Benjamin Cook (Cole), J. LaRose [ungenannt] (Wayne) sowie Montserrat Alcoverro, Francesc Arellano, Mariví de Villanueva u.a.
„Gott ist tot, aber vielleicht war er nie am Leben.“
Darren Lynn Bousman hat’s auch mit den Zahlen: nach SAW II / III / IV brachte er 2011 (nach seinem Grusical REPO! THE GENETIC OPERA und dem Remake MOTHER’S DAY) einen Film mit dem vielsagenden Titel 11-11-11 heraus; laut eigenen Angaben seine kleine Hommage auf die von ihm verehrten Okkult-Horrorfilme ROSEMARYS BABY und DIE 9 PFORTEN.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der erfolgreiche Buchautor Joseph Crone (Timothy Gibbs), der immer mehr in den Bann der Zahl „11“ gerät. Es ist noch nicht lange her, als er Frau und Kind bei einem Feuer verlor und nun, niedergeschlagen und depressiv, von schrecklichen Albträumen heimgesucht wird. Seltsam daran ist, dass diese Tragödie an einem 11.11 geschah, während ein schwerer Verkehrsunfall, in den Joseph verwickelt wird, diesen aber nahezu unverletzt übersteht, genau um 11.11 Uhr passierte. Immer wieder taucht die Zahl 11 in seinem Leben auf und soll schon bald sein Schicksal sein.
Mit den Nerven am Ende reist Joseph schließlich in sein Elternhaus nach Barcelona, um sich dort um seinem lange nicht gesehenen Bruder (Michael Landes), der im Rollstuhl sitzt, und dem im Sterben liegenden Vater zu kümmern. Doch auch dort wird er von mysteriösen Vorkommnissen heimgesucht – die immer schlimmer und eindringlicher werden, denn schreckliche Visionen plagen ihn und Dämonengestalten trachten ihm nach dem Leben. Ist das alles nur Einbildung oder ist hier doch eine unbekannte Macht am Werk? Je näher dieses unheilvolle Datum, der 11.11.11, rückt, umso mehr reift in Joseph die Gewissheit, das an diesem Tag entscheidendes – und schlimmes – passieren wird….
Natürlich wissen wir längst, dass der 11.11. 11.11 Uhr gar fürchterliches mit sich bringt, ist es doch der Glockenschlag für all die Amok laufenden Faschings-Faschisten. Das diese Zeitangabe mit so einer verhängnisvollen Zahlenkombination Vorbote und Unheilsbringer für ganz andere dunkle Mächte birgt, zeigt der 1979 geborene Darren Lynn Bousman in seinem nun mehr 7. Spielfilm.
Nachdem seine blutigen Regiearbeiten SAW II – IV neue Maßstäbe im Hardcore-Horror setzten und insbesondere der sich hemmungslos im Ekel suhlende dritte Teil in seiner ungekürzten Form nur noch auf dem Index zu finden ist, war es für Bousman tatsächlich an der Zeit auch mal andere Wege einzuschlagen, zumal auch seine vorangegangene Regiearbeit, das Remake MOTHERS DAY, welches insbesondere in der nicht jugendfreien Fassung alles andere als zahm ausfiel, auf bewährten Torture-Porn-Pfaden wandelte. Und da kommt der vollständig auf blutrünstige Gewaltexzesse verzichtende 11-11-11 genau zur richtigen Zeit. Denn welcher Filmemacher möchte ausschließlich als der Splatter-Regisseur verschrien werden, dem es nur darum geht zu zeigen, Menschen grausam und qualvoll sterben zu lassen?
„Die ganzen Voll-in-die-Fresse und Eingeweide-raus-Sachen, die ich früher machte, interessieren mich nicht mehr.“ (Darren Lynn Bousman)
Vielleicht wird dieser Film hier den ganzen SAW-Jüngern nur ein Gähnen entlocken, was nur recht sein kann, denn wer Horrorfilme gerne schaut weiß längst, dass Grusel und Nervenkitzel eben auch ohne Blutfontänen und übertriebene Gewaltexzesse funktionieren – und das sogar viel besser. Da mag zwar jetzt der erhobene Zeigefinger mitschwingen, aber das muss man den Folterfilmfetischisten ja auch mal sagen.
In dieser Hinsicht ist Bousmans Okkult-Grusel effektiv gemachter, in sich stimmiger und unterhaltsamer Old-School-Horror, zu dessen großen Stärken die eigenartige und wirklich beklemmende Atmosphäre zählt. Hier punktet 11-11-11 vor allem durch düstere Bilder, aus denen jegliche Farben gewichen sind, und den Handlungsort Barcelona mit seiner beeindruckenden Altstadtkulisse, die von Bousman stimmig eingefangen wird.
Obwohl Bousman auch auf die üblichen Schock- und Kreischeffekte setzt, kommt das Grauen bei ihm auf die eher subtile Weise daher. Dabei verzichtet er fast vollständig auf die übliche Action, dafür geriet sein Werk ziemlich dialoglastig, ohne aber dabei zu langweilen. Geprägt ist der Film von seiner religiösen Hintergrundthematik, was sich auch in den Diskussionen zwischen den beiden Brüdern, der eine ist tief gläubig, der andere hat nach den für ihn tragischen Ereignissen jeglichen Glauben verloren, wieder spiegelt. Und so avanciert 11-11-11 zu einer Reflexion über Glauben und Nicht-Glauben, Religion und Bestimmung, Prophezeiungen und Überzeugungen, Gott und Satan.
Joseph Crone, von Timothy Gibbs überzeugend verkörpert, gerät in einen Strudel aus Wahn und Wirklichkeit und so durchforstet er Bücher, checkt Überwachungskameras und wird mit seiner eigenen Familienvergangenheit konfrontiert. Das ist insgesamt betrachtet natürlich jetzt nicht die innovative Story-Idee, zumal der Film von der Dramaturgie her gesehen vor allem in der Mitte etwas auf der Stelle tritt und nicht so recht vorankommt. Ein solider Spannungsaufbau kann bescheinigt werden, trotzdem bleibts einer dieser Filme, die mich eben nicht zu 100% vom Hocker gerissen haben, weil eben das Quentchen Raffinesse und wirklich packende Elemente einfach fehlen.
Dennoch kann man Bousman attestieren, prinzipiell gesehen nichts falsch gemacht zu haben und so bleibt man dran an den grusligen Verwicklungen, die schließlich hinauslaufen auf den finalen Plot-Twist mit seinem bösen Ende, das auf bewährte Weise mit den aus den SAW-Filmen erläuternden und aufklärenden Rückblenden untermauert wird.
Kritisieren könnte man noch die zugegebenermaßen schlichten Dämonenmasken, die sich unter Kapuzen verstecken und hinter Vorhängen und Hecken lauern, doch letzten Endes in ihrem 80er-Jahre-Gewand recht gut zu diesem solide und spannend gemachten Old-School-Horror passen.
- Die DVD und Blu-ray ist bei Ascot Elite Entertainment erschienen und wartet mit Standard-Bonusmaterial auf: Behind the Scenes mit diversen Interviews, geschnittene Szenen und Originaltrailer. Leider ist der Audiokommentar mit Darren Lynn Bousman und seiner Schwester Laura, die hier als Produzentin fungiert, nicht deutsch untertitelt.
- „Toller Grusler der alten Schule.“ (Daniel Gores, DEADLINE #32)