Regie: Timo Vuorensola / Musik: Laibach / Kamera: Mika Orasmaa / Schnitt: Suresh Ayyar / Ausf. Prod.: Michael Cowan, San Fu Maltha, Sean O’Kelly / Prod.: Oliver Damian, Tero Kaukomaa, Samuli Torssonen / Buch: Michael Kalesniko / Story: Johanna Sinisalo, Jarmo Puskala
Darsteller: Julia Dietze (Renate Richter), Götz Otto (Klaus Adler), Udo Kier (Wolfgang Kortzfleisch), Christopher Kirby (James Washington), Stephanie Paul (US-Präsidentin), Peta Sergeant (Vivian Wagner), Tilo Prückner (Dr. Richter), Kym Jackson (McLennan), Monika Gossmann (Designer) sowie Jim Knobeloch, Tero Kaukomaa, Michael Cullen, Jeffrey Douglas, James Quinn, Tom Hoßbach u.a.
Eine allgemein bekannte Tatsache, an der es nichts zu rütteln gibt: Nazis leben hinter’m Mond. 1945 ist es gewesen, da sind sie auf die dunkle Seite des Mondes geflüchtet, um sich schließlich im Jahre 2018 mittels Reichsflugscheiben und Götterdämmerung wieder der Erde anzunehmen.
Vor einigen Jahren hatte ein junger, finnischer Nachwuchsregisseur namens Timo Vuorensola genau diese geniale Gaga-Idee, die die Filmwelt bereits im Vorfeld in helle Entzückung brachte. Der lange Entstehungsprozess von IRON SKY sollte beispielhaft, wenn nicht sogar wegweisend sein, wie denn so ein Film abseits der üblichen Vermarktungsstrategien großer Filmstudios zustande kommen kann.
Der clevere Regie-Jungspund aus Finnland wusste mit seinen Mannen von Anfang, wie sie auf sich aufmerksam zu machen haben: Via Internet wurden zahlreiche Fans zusammen getrommelt, um das Projekt mit kleineren und größeren Geldbeträgen finanziell zu unterstützen oder sich direkt mit Ideen und Gags am Drehbuch zu beteiligen, während Trailer, Teaser und eine recht beeindruckende Werbekampagne von dem langsamen, aber stetig voranschreitenden Drehprozess berichteten und die Fans bei Laune hielten.
Der fertige Film erwies sich auf der diesjährigen Berlinale als umjubeltes Kontrastprogramm, doch als er dann offiziell ab dem 05.04.2012 in den hiesigen Kinos startete … machte sich zu weiten Teilen Ernüchterung breit, da das fertige Endergebnis so gar nicht den Erwartungen entsprach. Natürlich könnte man an dieser Stelle fragen, was für Erwartungen der Einzelne hat, wenn mal wieder der Nazi aufmarschiert – im Kino wohl gemerkt. Vielleicht war es ja auch schon abzusehen, das ein im Vorfeld dermaßen gehyptes Projekt kaum den hohen Erwartungen stand halten kann – zumindest eben nicht bei allen Zuschauern. Das führte dann schließlich dazu, dass in diversen Filmforen, bei Faselbook & Co frustrierte, klugscheißende Filmfans über die Definition von „Trash“ (mittlerweile eh ein inflationär gebräuchlicher Begriff) aufgeilten und / oder dem Film vorwarfen, er würde den Charakter der Exploitation zweckentfremden – gähn. Für diejenigen empfiehlt sich als Alternative eine andere Filmkomödie: DER UNTERGANG, Eichingers & Hirschbiegels Emotionsfalle.
Vielleicht hatte der eine oder andere einfach ein Problem mit den hier zelebrierten Albernheiten. Humor, ist wenn man trotzdem nicht lacht: Da wird das weibliche Schamhaar mit Hitlers Bärtchen verglichen, da wird der Schwarze mittels Injektion zum Vorzeige-Arier umgemodelt, da wird gründlich (und völlig zurecht) über den dicken, großmäuligen Nordkoreaner gelästert, da rangeln sich die Herren um das Statussymbol „Führer“ („Heil Kortzfleisch!“ „Heil Adler!“), während ausgerechnet ein mit Atomwaffen bestücktes Marserkundungsschiff mit dem passenden Namen „George W. Bush“ den Frieden auf der Erde sichern soll. Und da passt es denn auch, dass dieses Amerika von einer überkandidelten Sarah-Palin-Karikatur regiert wird, die sich die Rhetorik der Nazis zunutze macht, um damit Wähler zu ködern.
Frau Präsidentin (Stephanie Paul) ist es auch gewesen, die zwei Astronauten zu reinen Wahlkampfzwecken auf den Mond schickte – beide entdecken dort die Kolonie der Nazis, die in ihrer Hakenkreuzfestung unbehelligt vor sich hin leben. Der eine wird gleich nieder geballert, der andere mit Namen Washington (Christopher Kirby) ausgiebig erforscht – aus ihrer Sicht verständlich, handelt es sich doch bei ihm um einen Schwarzen. So einen haben die ja noch nie gesehen!
Washington gelingt es, das Vertrauen der jungen Lehrerin Renate Richter (Julia Dietze), die mit vollem Eifer für den Propagandaunterricht zuständig ist, zu gewinnen und erfährt bald, dass die Nazis vom Mond mit ihrem neuen Führer Kortzfleisch (Udo Kier) die Rückkehr zur Erde samt Übernahme der Weltherrschaft planen. Während Washington zunächst den bizarren Experimenten von Dr. Richter (Tilo Prückner), Renates Vater, einem Musterexemplar des verrückten Wissenschaftlers, ausgeliefert ist, gelangt unbeabsichtigt eine für die Nazis revolutionäre Technik in die Hände: ein Smartphone. Das soll schließlich den Antrieb für das gigantische Raumschiff „Götterdämmerung“ unterstützen – dummerweise macht der Akku schlapp. Und so wird eine kleine Delegation, bestehend aus Washington, Fräulein Renate und dem schneidigen Offizier Klaus Adler (Götz Otto), zur Erde geschickt, um weitere dieser begehrten Mini-Computer zu besorgen. Dort geraten sie mitten in den derzeit laufenden US-Wahlkampf…
Verspielte Steampunk-Phantastereien, Nazi-Gags, US-Wahlkampfsatire und Musik von Laibach: IRON SKY spaltete die Community. Böse Zungen behaupteten, die Spezialeffekte seien noch das Beste am ganzen Film gewesen.
Das Endergebnis sieht aus wie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht: Einerseits wollten man dem Massengeschmack des Mainstream-Publikums gerecht werden, andernfalls auch die Trash-Fraktion nicht zu kurz kommen lassen. IRON SKY ist nicht das erhoffte Trash-Meisterwerk geworden, aber eben auch nicht der Rohrkrepierer, zu dem ihn manche Muffelmienen abstempeln wollten. Da wurde ja teilweise auch zu Unrecht auf den Film eingedroschen. Das gipfelte schließlich in regelrechten und ungerechtfertigten Hasstiraden gegenüber den Film – soviel Empörung und Aufregung wünscht man sich auch mal, wenn draußen auf der Straße oder auf dem Lande die Neonazi-Horden und rechtsradikalen Schlägertrupps aufmarschieren.
Dabei sind Nazis geradezu prädestiniert, um sich über sie lustig zu machen. Freilich ist das immer so eine Gratwanderung, die auch mächtig schief gehen kann: Hach, der lustige Nazi. Die in der Vergangenheit vereinzelt losgetretene Diskussion, ob man das überhaupt darf, sich über Nazis lustig machen, war eh vollkommen überflüssig gewesen. Natürlich darf und soll man über Nazis lachen. Sie bekämen sonst die Würde … die sie sowieso nicht haben. Nazis besitzen keine Würde.
Sicherlich hätte IRON SKY an der einen oder anderen Stelle (zum Beispiel bei der Begegnung zwischen Mondnazis und Neonazis) ruhig noch ein bisschen schärfer und boshafter ausfallen können. Stattdessen verfällt der Film teilweise dem reinen Klamauk – und gängigen Kino-Konventionen: Wenn die Mondnazis eine x-beliebige Großmetropole auf der Erde angreifen, erinnert das nicht von ungefähr an die Zerstörungsorgien in den Filmen von Rollie Emmerich und Michael Bay – ohne aber deren „Wumms!“ zu erreichen (da könnte man sich jetzt mal vorstellen, wie der Film ausgefallen wäre, wenn die den Film gemacht hätten – vielleicht drehen sie ja mal ein Remake davon). Und sowohl die boshafte Anarcho-Invasion in MARS ATTACKS! als auch der Hang zum Provozieren im exzentrischen STARSHIP TROOPERS (der ja ebenfalls recht unverfroren mit Nazi-Symbolen spielte) haben gegenüber IRON SKY einen Schritt voraus.
Ebenso unerreicht bleibt Tarantinos Meisterwerk INGLOURIOUS BASTERDS (2009), das mit genialen Dialogen aufwartete, wogegen die Gags hier eher oberflächlich bleiben (meistens zumindest). Trotzdem haben beide Filme eines gemeinsam: das Spiel mit einer „anderen Realität“. Bei Tarantino war es ein von Nazis besetztes Frankreich, bei Vuorensola ist es halt der von Nazis besetzte Mond…
IRON SKY lebt von seinen Übertreibungen sowie dem Spiel mit Klischees und bewusst auf die Spitze getriebenen Karikaturen, auch wenn das nicht immer 100%ig gelungen ist. Es ist nicht einfach, den Unterschied zwischen den Klischees und der Realität auszuloten. Trotzdem finden sich hier einige gelungene satirische Seitenhiebe, etwa auf das Wahlkampfgetöse der Amis – obwohl: eine Sarah Palin, die ja quasi mit dem Finger am Anzug ins Bett geht, ist ja bereits Realsatire in Person. Immerhin gelangt sie hier zu der Erkenntnis: „Alle Präsidenten, die einen Krieg begonnen haben, wurden wieder gewählt!“
Einer der schönsten Einfälle des ganzen Films ist der, als die Propaganda-Nazine ausgerechnet durch Charlie Chaplins DER GROSSE DIKTATOR geläutert wird – obwohl dieser in Kurzfilmfassung daheim, auf dem Mond, im Schulunterricht zu eigenen Propaganda-Zwecken diente. Und die grimmige Schlusspointe zeigt uns, dass Nazis prinzipiell vollkommen überflüssig sind, denn die Zerstörung unseres Planeten kriegen wir auch ohne sie hin.
- „Der Film ist nicht mehr als die technisch aufgeblasene Langfassung der originellen Werbetrailer, die man schon seit Jahren im Netz bewundern kann und die als fruchtbare Basis für das Fan-Crowdfunding dienten. „Iron Sky“ sieht zwar aus wie „Transformers“, ist aber mit Witzfiguren aus dem Quatsch Comedy Club besetzt. Der erste Film, von dem ich mir ein bierernstes US-Remake von Hardliner Michael Bay wünschen würde.“ (Jörg Buttgereit)
- „Hochglanztrash mit enormen Spaßfaktor.“ (TV SPIELFILM 8/12)
- „IRON SKY ist auch ein Werk von Filmfreaks, deren Enthusiasmus kleinere inhaltliche Schwächen nicht kompensieren kann, so dass die Sci-fi-Komödie unterm Strich nur zu einem kurzweiligen und sehr schrägen Filmvergnügen wird, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ (DEADLINE #32)
- „Auf kaum einen Film hatten so viele hingefiebert wie auf „Iron Sky“. Doch die Nazi-Weltraum-Klamotte ist langweilig, platt und mutlos. […] Und dass diese Weltraumnazis von vorvorgestern den Amerikanern aus dem Jahr 2018 das Wasser reichen können, ist selbst im Rahmen der hanebüchenen Story von Iron Sky ärgerlicher Unfug. Die Versuche in Sachen Handlung machen den Film nicht erträglicher. […] So aber ist fast nichts an diesem Film gut: nicht die Handlung, nicht die Gags, nicht die Besetzung, nicht die Seitenhiebe und schon gar nicht der gewollte Tabubruch. Ausgerechnet die Special-Effects, von denen bei einem doch relativ geringen Budget keiner Roland-Emmerich-Qualitäten erwartet hätte, sind beeindruckend.“ (Daniel Erk, DIE ZEIT)
knappe 7/10