GB 1982 / O: "X-Tro" / AT: "Judas Goat"; "X-Tro: Angriff der Körperfresser" / Prod.: Amalgamated; New Line Cinema / dt. Kinostart: 01.07.1983 / Laufzeit: 83 Min. (DVD von CMV, uncut) / FSK: ab 18
Regie, Musik + Story: Harry Bromley Davenport / Kamera: John Metcalfe / Schnitt: Nicolas Gaster / Ausf. Prod.: Robert Shaye / Prod.: Mark Forstater / Buch: Iain Cassie, Robert Smith
Philip Sayer (Sam Phillips), Bernice Stegers (Rachel Phillips), Danny Brainin (Joe), Maryam d'Abo (Analise), Simon Nash (Tony Phillips), Peter Mandell (Clown), David Cardy (Michael), Anna Wing (Mrs Goodman), Robert Fyfe (Doktor) u.a.
Familie Phillips macht einen Urlaub auf dem Lande, als Vater Sam (Philip Sayer) mir nichts dir nichts von Außerirdischen gekidnappt wird. Drei Jahre später schicken die eine garstige Kreatur auf die Erde zurück, die freilich erstmal nichts anderes zu tun hat als ein paar ahnungslose Leute zu killen und eine nicht weniger ahnungslose Frau zu schwängern. Diese gebärt schließlich unter Schmerzen eine Art Klon von Sam, der aus ihr nur so heraus flutscht, sich reckt und streckt und schließlich auf den Weg nach Hause macht.
Dort erwartet ihn sehnsüchtig Sohnemann Tony, der Daddy schmerzlich vermisst, während Ehefrau Rachel inzwischen mit dem Fotografen Joe liiert ist. Rachel gewährt Sam zunächst Unterschlupf in seinem alten Heim, was Tony freut, aber zwischen den Erwachsenen zu Spannungen führt. Sam derweil besinnt sich auf sein Alien-Dasein, schlürft Schlangeneier und infiziert sein Kind mit einem verhängnisvollen Biss, was zu Stimmung im Haus und dem Ableben des einen oder anderen Nachbarn führt…
Irgendwo zwischen Ridley Scotts ALIEN (1979) und Spielbergs E.T. (1982) siedelte Harry Bromley Davenport 1982 seine eigenwillig-eigensinnige Interpretation eines Kidnappings durch Außerirdische und den daraus resultierenden Folgen an. Das führt dann bei ihm zu einer merkwürdig-kruden Mischung aus schleimigem Alien-Horror, Familiendrama, Beziehungsknatsch, Entführungsstory und Fantasy-Trash, der damals sogar ein recht passabler Erfolg an den Kinokassen vergönnt war.
Abstrus-albern wird es, wenn der kleine Tony von seinem Alien-Vater gebissen / infiziert wird und seine eigene, ganz persönliche Wandlung durchmacht, die es ihm u.a. erlaubt übersinnliche Fähigkeiten zu entwickeln. Und so lässt er sein Spielzeug zu mordenden Allzweckwaffen mutieren: die Clownspuppe avanciert zum Kehle aufschlitzenden Killer-Liliputaner mit Igor-Komplex, während der Spielzeugsoldat auf Lebensgröße heran wächst, das „Soldaten sind Mörder“-Credo praktiziert und die lästige Nachbarinnen-Schnepfe abmurkst.
Und so wird eine wüste Trash-Szenarie herauf beschworen, doch schafft es Davenport inmitten all der Absurditäten zu dem von ihm komponiertem Synthie-Soundtrack eine bedrückende Atmosphäre aufzubauen. Zudem gibt es einige gorig-glitschige Schleim- und Ekeleffekte: Glibber-Tentakel, die zur oralen Befruchtung dienen und ein erwachsener Alien-Embryo, der schließlich ausgetragen wird. Da werden Parallelen zu INSEMINOID (1981) von Harry Bromley Davenports Landsmann Norman J. Warren wach und fast hätten diese Momente des Ekels und der Verstümmelung ihn zu einem Bindeglied zu dem Körperverwandlungs-Horror eines David Cronenberg und den handfesten Splattereffekten von Clive Barker gemacht – wenn das alles nur nicht so trashig-unbeholfen in Szene gesetzt worden wäre.
„Nicht alle Außerirdischen sind freundlich“, heißt es im Untertitel, womit man schon damals eine Alternative zum im selben Jahr entstandenem Spielberg-Erfolg E.T. herstellen wollte. Freilich ist das alles hier eine einzige Farce, aber immerhin hat X-TRO – im Gegensatz zu diversen anderen ALIEN-Fußabtretern – den entscheidenden Vorteil, dass man eben nicht schon nach 5 Minuten weiß, wie das alles ausgehen wird.
Ja und was gibt es noch zu bestaunen? Die spätere Bond-Gespielin Maryam d’Abo (DER HAUCH DES TODES) präsentiert sich als französisches Kindermädchen recht zeigefreudig sowie Harry Bromley Davenports ganz eigene Hommage auf 2001 (1968). Na wenn das nichts ist.
- Es gibt übrigens 2 verschiedene Enden von X-TRO. In der Fassung, die ich sah, haben Ehemann und Sohnemann die Erde verlassen, während Rachel zum Schluss mit dickem Bauch in ihre völlig veränderte Wohnung kommt und dort von einem knappen Dutzend Alien-Kindern sehnsüchtig empfangen wird. In der alternativen Fassung werden die Phillips (soweit ich weiß) von einem Alien-Rüssel komplett platt gemacht. Harry Bromley Davenport ließ noch zwei Pseudo-Fortsetzungen folgen, die aber allesamt nichts miteinander zu tun haben: X-TRO II – DIE ZWEITE BEGEGNUNG (1990) und X-TRO III (1995)
- X-TRO war auch einer der früheren Produktionen von New Line Cinema-Chef Robert Shaye, der später u.a auch die NIGHTMARE ON ELM STREET-Reihe und die HERR DER RINGE-Trilogie produziert
- Der mordende Spielzeug-Plastesoldat und der mutierte Tony wurden übrigens vom britischen Pantomimeduo Tik und Tok gespielt
- „Obwohl von der Inszenierung her sehr krude und hart, beinhaltet diese obskure Mischung aus Horror und Science Fiction einige der interessantesten Szenen der jüngeren britischen Genrefilme. Hintergründig werden sogar einige Freudsche Themen wie z.B. Kastrationsängste und Verlust des Vaters abgehandelt.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Handlung und Dramaturgie suhlen sich im Durchschnitt, lediglich die harten F/X fallen aus dem Rahmen.“ (Harry Lieber, HÖLLE AUF ERDEN)
- „Fragwürdig durch eine vordergründige und frauenfeindliche Behandlung sexueller Motive.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)
7/10