DIE NACHT DER UNHEIMLICHEN BESTIEN
USA 1959 (s/w) / O: "The Killer Shrews" / Prod.: Hollywood Pictures Corp.; McLendon Radio Pictures / Laufzeit: 66 Min. / FSK: ab 16
Regie: Ray Kellogg / Musik: Harry Bluestone, Emil Cadkin / Kamera: Wilfred M. Cline / Ausf. Prod.: Gordon McLendon [ungenannt] / Prod.: Ken Curtis / Buch: Jay Simms
James Best (Thorne Sherman), Ingrid Goude (Ann Craigis), Baruch Lumet (Dr. Marlowe Craigis), Ken Curtis (Jerry Farrell), Gordon McLendon (Dr. Radford Baines), Alfredo De Soto (Mario), Judge Henry Dupree (Rook)
DIE NACHT DER UMHEIMLICHEN BESTIEN – nein, hier handelt es sich nicht um die Verleihung vom deutschen Comedypreis auf RTL, sondern um den 4. Beitrag der „Galerie des Grauens“ aus dem Hause Anolis. Nach DIE TEUFELSWOLKE VON MONTEVILLE, DAS VERMÄCHTNIS DES PROF. BONDI und AUF DER U-17 IST DIE HÖLLE LOS wandert nun DIE NACHT DER UNHEIMLICHEN BESTIEN in den schicken Pappschuber. Oder auch THE KILLER SHREWS, wie die von Ray Kellogg inszenierte Billigproduktion aus den ausklingenden 50ern im Original betitelt wurde. Was hat man hier für eine Schwarz/weiß-Schabracke ausgebuddelt!
Bei THE KILLER SHREWS dürfte es sich um den einzigen Beitrag der Gattung „Tier-Horror“ handeln, in dem Spitzmäuse, genauer gesagt mutierte Spitzmäuse, zum Angriff starten. Der Mercator-Verleih jedoch machte aus den Spitzmäusen in der deutschen Fassung gewöhnliche Ratten, was ein wenig schade ist. Mutierte Spitzmäuse – klingt doch viel schöner. Doch ob Ratte oder Maus: die zu Monstern gewordenen Nager, die hier für Angst und Schrecken sorgen sollen, haben weder mit der einen, noch mit der anderen Tierart was gemeinsam. Vielmehr scheint man auf den Hund gekommen…
Der Mercator-Verleih erlaubte sich noch eine zweite Änderung und tauschte die Originalmusik des Vorspanns durch eine herrlich schreckliche, von einem unbekannten Seemanns-Barden vorgeheulte, die Nerven abtötende Piratenleier aus. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht weil die ersten Minuten rein zufällig auf dem Meer spielen. Dort kuttert Kutter-Käpt’n Thorne Sherman (James Best) mit seinem dicklichen Afro-Kumpel, „einem Neger“ (Originalzitat aus der damaligen dt. Pressemappe), umher, mit dem Auftrag, die Forschungsstation einer entlegenen Insel mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Dort angekommen sieht sich unser Held bald selbst als Nahrungsmittel ausgesetzt. Wieder mal ist so ein wahnsinnig wichtiges Experiment (die Betonung liegt auf „Wahnsinnig“) vollkommen außer Kontrolle geraten, dabei wollte Dr. Craigis (Baruch Lumet) nur das Hungerproblem der Menschheit lösen. Also experimentierte er mit Spitzmäusen (in der deutschen Fassung sind es wie gesagt Ratten) herum, was aber zur Folge hatte, dass diese mutierten und nun als „blutgierige Bestien, so groß wie ausgewachsene Wölfe“ auf der Insel ihr Unwesen treiben.
Sein Unwesen als Regisseur trieb auch Ray Kellog, der sonst auf dem Gebiet der Spezialeffekte tätig war. Mit weitaus mehr Erfolg. Back-to-back mit THE KILLER SHREWS gedreht ließ er außerdem ein Ding namens THE GIANT GILA MONSTER vom Stapel. Beide Werke wurden übrigens von Ken Curtis mitproduziert, der in den 40ern als singender Cowboy über die Leinwandprärie ritt und hier in der Rolle des feigen und ständig alkoholisierten Jerry zu sehen ist. Zusammen mit dem Wissenschafts-Wirrkopf Baines (Gordon McLendon) ist er beteiligt gewesen an den Experimenten von Dr. Craigis, mit deren Tochter Ann (Ingrid Gouda) er ein Verhältnis hat, doch die blonde Uschi hat viel lieber Augen für den Seemann Thorne Sherman, was Saufbold Jerry ziemlich eifersüchtig werden lässt… hier geht’s ja zu, wie im Marienhof. Nur eben das „political correctness“ Ende der 50er noch etwas anders definiert wurde: die beiden Ausländer, der Afro-Amerikaner und ein Mexikaner, die genauso charakterisiert wurden, wie man damals sich eben als Inländer den Ausländer vorstellte… diese beiden sterben zu erst. Bis dahin trödelt DIE NACHT DER UNHEIMLICHEN BESTIEN so vor sich hin.
Was die erste halbe Stunde anbelangt: Für einen Regisseur gehört schon jede Menge kreatives Untalent dazu, einen Film, der es gerade mal auf eine reichliche Stunde Laufzeit bringt, so zäh und öde aussehen zu lassen. Respekt. Man merkt es dieser holprigen Billig-Produktion an, mit wie viel Müh‘ und Not sie auf etwas über eine Stunde Laufzeit getrimmt wurde. Die erste halbe Stunde schleppt sich mit Dialoggeplänkel und Belanglosigkeiten so über die Runden, vom Eifersuchtsdrama über den Männer-Machtkampf bis hin zum Alkoholexzess ist alles dabei.
Dann immer dieselben Szenen, etwa wie jemand den trostlosen Korridor entlang läuft, nur eben mit abwechselnden Personen. Da durfte jeder mal lang laufen. Die Korridorszenen werden aber von den Türszenen überboten: so wie einer rausgeht, kommt der andere wieder rein. Man kennt das aus diesen amerikanischen Comedyserien oder vom Silvesterschwank aus DDR-Zeiten, so á la „Ferienheim Bergkristall“. Hier geben sich die Leute auch die Klinke in die Hand, die Tür geht auf, die Tür geht zu, dabei droht bei dem ganzen Raus und Rein das billige, wacklige Set, eine einzige, mit Kohlenstaub verrußte Rumpelkammer, in der die Schauspieler hinein gezwängt wurden, gleich in sich zusammen zu fallen. Herrlich.
Erstaunlich auch, wie viel hier gesoffen wird. Immer sieht man jemanden sich an der Hausbar bedienen. Einschenken, austrinken, nachgießen. Irgendwie muss man den Tag ja rumkriegen, denn das bissel was wir fressen, können wir auch saufen. Vielleicht war es vornherein klar gewesen, dass die Schauspieler so einen gewaltigen Horror-Stoff nur im Suff ertragen, also hat man vorsorglich eine gut gefüllte Hausbar installieren lassen. Der Film selbst hinterlässt den Eindruck, dass das Budget unter dem lag, was die Darsteller hier so alles in sich hinein schütten.
Immerhin langt es so zu erhellenden Erkenntnissen wie „Ein ungewöhnliches Experiment kann auch ungewöhnliche Resultate hervorbringen“ oder „Wenn wir Menschen nur halb so groß wären, würden die natürlichen Ressourcen der Erde doppelt so lange reichen.“ Darauf muss man erstmal kommen. Erstaunlich, wie ernst die hier versammelten Darsteller das Ganze nehmen. Noch mal Respekt.
Wenn dann ab der 2. Hälfte endlich die groß und breit angekündigte Nacht der unheimlichen Bestien anbricht, macht sich ebenfalls Ernüchterung breit. Aber wer hätte hier, nach dem zuvor gesehenem Kuddelmuddel, noch ernsthaft mit einem spannenden Horror-Reißer gerechnet? Wenn der Film auch noch so mies sein mag: Ray Kellog und sein Team von B- und C-Movie-Stümpern bieten immerhin Musterbeispiele für die hohe Schule der Improvisationskunst. Darauf kommt’s doch an beim Film. Vor allem wenn man an allen Ecken und Kanten sichtlich mit einem Mini-Budget zu kämpfen hat. Was zur Folge hat, dass der Zuschauer von den unheimlichen Bestien, von denen sich zwei- bis dreihundert auf der Insel zusammengerottet haben sollen, nie mehr als eine Handvoll zu sehen bekommt. Und dann sehen sie auch noch so aus, als ob man einigen aufgescheuchten Hunden einfach paar olle Decken mit festgetackertem Gummischwanz über den Buckel geschmissen hat. Das schlimme daran: es ist tatsächlich so! Während also die bellenden Zeckenteppiche von der einen in die andere Ecke gescheucht wurden, um bei den angetütelten Protagonisten Angst und Schrecken zu verbreiten, sind in den Nahaufnahmen lausige Handpuppen-Attrappen mit Reißzähnen und Glotzaugen zu sehen. Das musste 1959 halt reichen, um als mutierte Spitzmaus-Riesenratte durchzugehen.
Doch so eine Niete, wie es hier den Anschein haben mag, ist Ray Kellogg nämlich gar nicht, was er zumindest einmal kurz andeutet, wenn er inmitten einer an sich ruhigen Szene, einem vermeintlichem Moment der Ruhe, plötzlich so eine mutierte Riesenrattenmaus in den Kabuff hinein springen lässt. Man möchte nicht unbedingt behaupten, dass er damit die Mechanismen des Genres beherrscht, dennoch liefert er einen klassischen Schockeffekt, der eben nur durch den billigen Spezialeffekt nicht so rüberkommt wie gedacht.
Dranbleiben bis zum Schluss, denn das abstruse Finale wartet mit einer kuriosen Fluchtmöglichkeit auf, die man so noch nicht gesehen hat. Da muss man erstmal drauf kommen! Frei nach dem Motto: Der Mensch kann noch so dumm sein, zu helfen weiß er sich immer. In diesem Fall bekommt das für miese Filme oftmals verwendete Etikett „Ab in die Tonne!“ eine ganz neue Bedeutung.
- Auch wenn es hier nicht den Anschein hat, so handelt es sich bei den Darstellern nicht gänzlich um komplette No-Names. James Best und Ken Curtis brachten es sowohl drüben als auch hier zu durchaus populären Fernsehstars: Best als Sheriff Coltrane in EIN DUKE KOMMT SELTEN ALLEIN (1979-85), Curtis als Festus Haggen in RAUCHENDE COLTS (1959-75). Zum Brüllen ist der Faustkampf, den beide sich hier liefern und wo deutlich zu erkennen ist, wie am Gesicht vorbeigezielt wird. Nicht einmal für einen simplen Faustkampf hat es hier gereicht.
- Bei Baruch Lumet handelt es sich übrigens um den Vater von Regie-Legende Sydney Lumet. Seiner jüdischen Herkunft entsprechend war er in Woody Allen’s WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SEX WISSEN WOLLTEN… als Rabbi zu sehen, ansonsten beschränkte sich seine Schauspielerkarriere mehr auf die Theaterarbeit.
- 2012 gab es sogar noch eine Fortsetzung: RETURN OF THE KILLER SHREWS – DIE BLUTRÜNSTIGEN BESTIEN KEHREN ZURÜCK. Steve Latshaw führte hier Regie, John Schneider und Bruce Davison wurden als Stars engagiert – und auch James Best (1926 – 2015) ist in seiner Rolle wieder mit dabei.
- „…da inhaltlich schon nichts Neues geboten wird, verzichtet auch die Regie auf Spannung, Witz und sonstigen störenden Kram.“ (Marcus Pawelczyk, HÖLLE AUF ERDEN)
- „Die bewegungslose Kamera, die monoton eingesetzte Musik und das einfallslose Szenario stempeln DIE NACHT DER UNHEIMLICHEN BESTIEN zu einem Schundfilm ab, der auch heute wegen des fehlenden unfreiwilligen Humors kein Publikum findet.“ (FrankTrebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)