DIE TEUFELSWOLKE VON MONTEVILLE
GB 1958 / O: „The Trollenberg Terror“ / AT: „The Crawling Eye“; "The Creature from Another World"; "The Creeping Eye"; "The Flying Eye" / Laufzeit: 80 Min. (uncut)
Regie: Quentin Lawrence / Musik: Stanley Black / Kamera: Monty Berman / Schnitt: Henry Richardson / Prod.: Monty Berman, Robert S. Baker / Buch: Jimmy Sangster, nach einem Fernsehspiel von Peter Key
Forrest Tucker (Allan Brooks), Janet Munro (Ann Pilgrim), Jennifer Jayne (Sarah Pilgrim), Laurence Payne (Philip Truscott), Warren Mitchell (Prof. Crevett), Frederick Schiller (Klein), Andrew Faulds (Brett), Stuart Saunders (Dewhurst), Colin Douglas (Hans), Derek Sydney (Wilde) sowie Richard Golding, George Herbert, Anne Sharp, Leslie Heritage u.a.
„Aber das ist doch blödsinnig eine Wolke zu bombardieren!“
„Das hat sie nicht zu interessieren!“
„Sein Kopf! Er war ohne Kopf!“ Hilflos müssen zwei Studenten mit ansehen, wie ihr Kommilitone beim Bergsteigen einen Abgrund hinunterstürzt und auf einmal ohne Kopf am Seil baumelt. Nicht der einzige schreckliche Vorfall, der sich im beschaulichen Schweizer Alpendorf Trollenberg, am Fuße des Monteville gelegen, ereignet hat. Daraufhin reist der Wissenschaftler und UNO-Mitarbeiter Allan Brooks (Forrest Tucker) auf Einladung seines Mentors Prof. Crevett (Warren Mitchell) in Trollenberg an. In seinem Observatorium konfrontiert Crevett Brooks dann mit den knallharten Fakten: nämlich einer ganzen Reihe an Todes- und Vermisstenfällen und einer seltsamen Wolke, die am Monteville festhängt wie eine Klette und voller Radioaktivität ist. Die ebenfalls in Trollenberg gelandeten Schwestern Ann (Janet Munro) und Sarah Pilgram (Jennifer Jayne) geraten schon bald in den Teufelskreis der Teufelswolke, da die telepathisch begabte Ann wie in Trance von ihr angezogen wird. Schließlich entdeckt man die furchtbare Wahrheit mit all ihren Konsequenzen: Im Wolkeninneren lauern grauenhafte, außerirdische Monster, die von den Alpen aus die Invasion der Erde vorbereiten…
Britischer Sci-Fi-Horror-Monster-Invasionsfilm, den cineastische Feingeister Nase rümpfend als „billig“ und „unfreiwillig komisch“ abstempelten… natürlich ist er das, was für eine überflüssige Bemerkung: die albernen Monster, die im Finale auftauchen, lassen (zunächst) keine anderen Schlüsse zu. Und trotzdem übte THE CRAWLING EYE, so der US-Titel, zumindest auf zwei Zeitgenossen, die von dem fasziniert waren, was da so alles im Nebel lauern kann, einen gewissen Einfluss aus: So schrieb Stephen King in den 70ern seine Kurzgeschichte „The Mist“, 2007 kongenial von Frank Darabont (DER NEBEL) verfilmt, während John Carpenter durch diesen Film zu THE FOG – NEBEL DES GRAUENS (1980) inspiriert wurde. So ein Schund kann THE TROLLENBERG TERROR also gar nicht sein. Insgesamt betrachtet kann man den Machern jede Menge Fantasie bescheinigen.
Das Vorbild zu THE TROLLENBERG TERROR findet sich in der damals populären BBC-Serie „Quatermass“, die Nigel Kneale erfand und von Hammer Films erfolgreich für’s Kino als lose Trilogie (bestehend aus SCHOCK; FEINDE AUS DEM NICHTS; DAS GRÜNE BLUT DER DÄMONEN) adaptiert wurde. THE TROLLENBERG TERROR basiert ebenfalls auf ein Fernsehspiel (von Peter Key in 6 Teilen kreiert), die damals zum Teil auch live vorgetragen wurden, aber inzwischen als verschollen gelten. Aus dieser frühen Ära des Phantastischen britischen Films ging im selben Jahr der ebenfalls fürs Kino adaptierte THE STRANGE WORLD OF PLANET X (US-Titel: COSMIC MONSTER), abermals mit Forrest Tucker, hervor. Dort waren es übrigens riesige Insekten, die die Menschheit plagten.
Freilich hat auch THE TROLLENBERG TERROR mit seinem sichtbaren Zeit- und Budgetmangel zu kämpfen, was man schon an den spärlichen Sets und Requisiten sehen kann. Von den Alpen bekommt man auch nicht so viel zu sehen, da diese nur als Archivaufnahmen und schlichte Matte-Paintings auftauchen. Die Szenen, welche die festhängende Teufelswolke von Monteville zeigen, ist fast immer ein und dieselbe Einstellung, die gelegentlich durch zusätzliche Wolkenschleier variiert wurde. Dem kurzweiligen Charakter des Films tun diese Unzulänglichkeiten keinen Abbruch – im Gegenteil.
Ihre Krönung findet diese Invasion im Finale, wenn das Grauen im Nebel offenbart wird: durch groteske Ungeheuer, die zum Hallali blasen und wie eine Mischung aus Augapfel- und Tentakelmonster aussehen. Die Filmgeschichte hat schon allerlei groteske Monster erleben müssen, diese hier gehören auf jeden Fall dazu. Die Tentakel sehen aus wie Gartenschläuche oder an Drähten befestigte Seile, wenn man die sich wegdenkt, dann haben diese bizarren Wesen Viechter (insbesondere dann, wenn sie keuchend einen Berg hinauf krauchen) eine gewisse Ähnlichkeit mit der entflohenen Riesentitte, die in Woody Allens WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SEX WISSEN WOLLTEN… aus dem Labor des verrückten Wissenschaftlers John Carradine ausgebüxt ist. Nur war diese im Gegensatz wirklich überzeugend getrickst.
Angriff der Zyklopenoktopanten
Für John Carpenter sind die vom damaligen Trickspezialisten Les Bowie kreierten „Zyklopenoktopanten“ der größte Schwachpunkt des Films, was subektiv objektiv betrachtet natürlich stimmt. Aber ich mag diese ulkigen Dinger, stehen sie doch in der Tradition zu all den Monstern und Mutanten, die insbesondere in den Sammelheftchen und oft zu Unrecht als Schundromane betitelten SF-Abenteuer aus den 30er und 40er Jahren die Pulp-Phantasien ganzer Generationen an Autoren und Filmemachern beflügelten.
Trotz alledem (oder gerade deshalb) stellt THE TROLLENBERG TERROR ein gutes Beispiel für das Phantastische Kino im Großbritannien der 50er Jahre dar, schon allein die Nüchternheit, mit der man zu Werke ging, verdient Respekt. Es gibt einige wirklich gelungene atmosphärische Szenen, besonders jene, die innerhalb der Wolke spielen. Erstaunlich auch, mit welchem Ernst die Darsteller sich der Sache angenommen haben: das nenn‘ ich wahre Schauspielkunst.
Fazit:
Ein Kleinod des Phantastischen Films
Die von Anolis Entertainment herausgebrachte DVD zu DIE TEUFELSWOLKE VON MONTEVILLE ist inzwischen längst ausverkauft und ein nur noch zu Mondpreisen erhältliches Sammlerobjekt. Hier bildete der Film am 15.06.2009 den Eröffnungstitel zu Anolis‘ 10teiliger „Galerie des Grauens“, in der scheinbar vergessene B-Movie-Perlen und Schundfilmchen aus dem Science-Fiction- und Horrorkino der 50er Jahre ihre Heimat gefunden haben. Die limitierte DVD kommt mitsamt stabiler Box daher, die Platz bietet für die 9 weiteren Veröffentlichungen.
Für das Bonusmaterial hat sich Anolis jedenfalls mächtig ins Zeug gelegt: das es ihnen zum Beispiel gelang, John Carpenter für einen Audiokommentar zu gewinnen, ist ein Triumph! Weitere Specials: ein weiterer hörenswerter Audiokommentar mit Rolf Giesen & Hans Joachim Thunack, die englische Titelsequenz, die Super 8 Fassung, diverse Trailer, eine Bildergalerie, Filmprogramm + Werbezeugs sowie ein schickes 8seitiges Booklet. Eine tolle Veröffentlichung, an der sich andere Labels messen lassen müssen. Anolis selbst hat inzwischen keine Rechte mehr an dem Film; eine Veröffentlichung von einem anderem Label ist bislang nicht geplant.
- Der nächste Titel in der „Galerie des Grauens“ ist Roger Cormans DAS VERMÄCHTNIS DES PROF. BONDI
- Regisseur Quentin Lawrence führte auch Regie in einigen Serienfolgen von THE TROLLENBERG TERROR (1956/57) und THE STRANGE WORLD OF PLANET X (1956), für Hammer Films inszenierte er 1964 DAS GEHEIMNIS DER BLUTINSEL (O: THE SECRET OF BLOOD ISLAND) mit Barbara Shelley und Patrick Wymark
- Forrest Tucker war ein Jahr zuvor an der Seite von Peter Cushing in Hammer’s Monsterfilm YETI, DER SCHNEEMENSCH (Regie: Val Guest) zu sehen