„Der Mensch braucht Fleisch sonst fällt er vom selbigen.“
O: „Motel Hell “ / dt.: „Hotel zur Hölle“ / Laufzeit: 101 Min. (Blu-ray); 97 Min. (DVD); uncut / FSK: k.J; ab 18
Regie: Kevin Connor / Musik: Lance Rubin / Kamera: Thomas Del Ruth / Schnitt: Bernard Gribble / Ausf. Prod.: Herb Jaffe / Prod. + Drehbuch: Robert Jaffe, Steven-Charles Jaffe
Darsteller: Rory Calhoun (Vincent Smith), Nancy Parsons (Ida Smith), Paul Linke (Bruce Smith), Nina Axelrod (Terry), Wolfman Jack (Reverend Billy), Elaine Joyce (Edith Olson), John Ratzenberger (Drummer) sowie Dick Curtis, Monique St. Pierre, Rosanne Katon, E. Hampton Beagle, Everett Creach u.a.
Das flackernde „O“ im Neon-Schriftzug vom „Motel Hello“ der gleichnamigen Absteige scheint fast schon beabsichtigt zu sein, denn wer sich hier ein Zimmer nimmt, der kommt tatsächlich der Hölle ein ganzes Stückchen näher. So viel wird hier auch nicht eingecheckt, dafür umso mehr eingesackt. Motelbesitzer sind Farmer Vincent und seine füllige Schwester Ida nämlich nur nebenbei. Bevorzugt nachts fangen sie ahnungslose Vorbeireisende von der Straße ab, um sie dann als ziemlich sprachlose Nachtschattengewächse in ihren ganz speziellen Garten zu pflanzen. Der ganze Aufwand hat nur einen Sinn: die armen Leute werden geschlachtet und zu leckerer Rauchwurst verarbeitet. Und die ist eine echte Delikatesse in der Region. Wohl bekomm’s.
Mit MOTEL HELL gab der 1937 in London geborene Brite Kevin Connor sein US-Debüt als Regisseur, nachdem er sich schon gutes Vierteljahr in Amerika aufhielt und einen geeigneten Stoff für seinen ersten Film in Übersee suchte. Seinen Regie-Einstand gab er 1974 mit dem Amicus-Episoden-Horror DIE TÜR INS JENSEITS aka FROM BEYOND THE GRAVE, in dem sich u.a. Peter Cushing, Donald Pleasence, Lesley Anne-Down, Ian Ogilvy, Ian Bannen und David Warner ein Grusel-Stelldichein gaben. In erster Linie dürfte aber Kevin Connor durch seine liebenswerten, knallbunten Pappmaché-Urzeit-Monster-Abenteuerfilme bekannt sein – als da wären: CAPRONA – DAS VERGESSENE LAND (1975), CAPRONA II (1977), DER 6. KONTINENT (1976) und TAUCHFART DES SCHRECKENS (1978), allesamt mit Doug McClure, der auch in Connors mittelmäßigen Spukhaus-Vehikel HAUS DER VERDAMMTEN (1982) zu sehen war.
Durch seinen Agenten bekam Kevin Connor schließlich die Regie zu MOTEL HELL vermittelt, ein Film der sich stilistisch und inhaltlich von seinen vorherigen Arbeiten unterscheiden sollte. Das durch Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) inspirierte Drehbuch lag bereits seit zwei Jahren irgendwo in Hollywood herum, ohne umgesetzt zu werden, bis mit FREITAG, DER 13. (1980) der nächste Backwood-Hit die Kinokassen klingeln ließ. Zu diesem Zeitpunkt wollten viele Filmemacher ihren Anteil am blutigen Erfolg des Teenie-Terror-Treibens sichern, aber Kevin Connor übernahm hier die Regie unter der Bedingung, dass aus dem Stoff eine schwarze Komödie gemacht wird – ohne die üblichen Gewaltexzesse.
In diesem Fall vielleicht das Beste, was dem Film passieren konnte, auch wenn er im Gegensatz zu anderen damaligen, filmischen Gewalt-Ausbrüchen heutzutage vergleichsweise harmlos daher kommt. Das HOTEL ZU HÖLLE ist weniger ein handfester, brutaler Backwood-Slasher (obwohl mit entsprechenden Zutaten nicht gegeizt wird), sondern eine schwarze, garstige Komödie, die mit einigen herrlich fiesen, makabren Ideen unterhält. Dabei beherrscht diese durchaus gelungene Persiflage auf diverse kettensägenschwingende Hinterwald-Psychos wie eben Hoopers TCM die große Kunst der Suggestion. Das macht MOTEL HELL zu einem ebenso amüsanten wie grausigen Film: die unangenehme Wirkung beruht hier eher darauf, dass man die Blutrünstigkeiten eben nicht zeigt, sondern „nur“ andeutet. Und so hat man als Zuschauer hinterher das Gefühl mehr gesehen zu haben, als tatsächlich zu sehen war. Lediglich im grotesken, überdrehten Finale lässt man sprichwörtlich und im wahrsten Sinne des Wortes die Sau raus.
Ein großer Trumpf des Films ist Hauptdarsteller Rory Calhoun, der vor allem in den 50ern in etlichen Western durch die Kinoprärie ritt und seine größten Erfolge u.a. als wenig sympathischer Geliebter von Marilyn Monroe in Otto Premingers FLUSS OHNE WIEDERKEHR (1954) und als aufrechter Held in Sergio Leones Spielfilm-Debüt DER KOLOSS VON RHODES (1961) feierte. Ob er während seiner zahlreichen Western-Einsätze jemals dran gedacht hat, dass er eines Tages, in Ehren ergraut, mit Schweinekopfmaske und kreischender Kettensäge im Schlachthaus des Vertrauens einen seiner besten Auftritte absolvieren wird? Seinem verschmitzt-fiesen Grinsen merkt man auch die Spielfreude an, mit der er seine verrückte Rolle ausfüllt.
Ein Besetzungsglück ist auch Nancy Parsons als Vincents füllige Schwester Ida; ein grobschlächtiges Manns-Weib, dass mit Latzhosen und Zöpfen über das Anwesen stapft, ahnungslosen Kindern mit Schweinekopfmasken einen heillosen Schrecken einjagt und stark eifersüchtig reagiert, wenn ihr oller Bruder mit der jüngeren und hübscheren Terry flirtet. Da werden schon mal feiste Mordpläne geschmiedet. Doch wenn Bruderherz Vincent sie zur Ordnung ruft, ist sie wieder das „unschuldige, große, kleine Mädchen“. Letzten Endes sind ja beide aufeinander angewiesen, es gibt ja genug Gartenarbeit zu erledigen und die Fleischerei läuft auch nicht von alleine.
Die restlichen Darsteller verblassen und langweilen dagegen, allen voran Nina Axelrod als reichlich naives Blondchen Terry und Paul Linke als dümmlicher, nerviger Provinzcop, der zudem als Vincents Bruder überhaupt nichts rafft. Allerdings wirkt das selbst für eine Komödie unglaubwürdig, wenn so ein Trottel sich im Finale als Held gebärt. Hier offenbart der Film, dem schwachen Drehbuch geschuldet, auch seine Schwächen: Wenn Vincent und Ida nicht zu sehen sind, droht es langatmig zu werden. Besonders mit dem als Lückenfüller dienenden, albernen Auftritt des Swinger-Pärchens mit besonderen sexuellen Vorlieben hat der Film einen arg klamaukigen und alles andere als komischen Ausfall zu verzeichnen, der den ansonsten positiven Gesamteindruck des Films etwas trübt.
6,5/10
Zensur- und Fassungsinformationen:
Jahrelang war MOTEL HELL hierzulande einer dieser unterschlagenen Filme, die nur schwer zu bekommen waren. Nach dem Kinostart am 21.11.1980 im Verleih von United Artists, die den Film aber nur in einer geschnittenen Fassung in die Lichtspielhäuser brachten, veröffentlichte Warner Home Video einige Zeit später die Videocassette, um sie genauso schnell wieder vom Markt zu nehmen. Angeblich wollte man so einer drohenden Beschlagnahmung zuvor kommen. Die Indizierung von HOTEL ZUR HÖLLE, so der alte deutsche Titel, folgte schließlich am 30.12.1988. 25 Jahre musste der Film auf dem Index ausharren, bevor er schließlich am 15.11.2013 nach Listenstreichung davon befreit wurde.
Nach diversen Bootlegs erfolgte 2010 durch CMV die erste legale Veröffentlichung der zurück gezogenen VHS auf DVD: als kleine Hartbox mit zwei verschiedenen Covermotiven (Cover A und Cover B). Zu diesem Zeitpunkt stand der Film noch auf dem Index.
Als der Film schließlich November 2013 vom Index befreit wurde, veröffentlichte CMV den Film am 20.12.2013 in einem (allerdings etwas überteuerten) Mediabook ohne Buchteil erstmals auf Blu-ray; ebenfalls mit zwei verschiedenen Covermotiven zur Auswahl, die jeweils auf 500 Stück limitiert sind (Cover A und Cover B). Anlässlich des 15järhigen Bestehens des beliebten Labels ist zusätzlich noch eine Bonus-DVD mit Timo Roses Amateur-Horrorfilm OUZO, STOFF UND TASCHENTÜCHER mit enthalten. Für die Sammlerfraktion brachte CMV den Film zusätzlich in der begehrten „Super Jewel Box“ auf Blu-ray und DVD heraus; die streng limitierten Auflagen sind aber längst vergriffen.
Für deutlich weniger Geld erschien im Mai 2014 die Standard-Blu-ray von CMV Laservision / Intergroove, die von der Ausstattung her identisch ist mit den bisherigen Blu-rays von CMV. Diesmal freilich ohne die Bonus-DVD, auf die man aber verzichten kann. Gerne hätte man sich etwas mehr an Bonusmaterial gewünscht außer Originaltrailer, dem deutschen Trailer, Bildergalerie und weiteren Programm-Trailern. Andernfalls ist es aber schön, dass es diesen lange gesuchten Film preiswert und in solider Bildqualität überall im Handel zu kaufen gibt. Bei ofdb ist die Blu-ray übrigens schon vergriffen, bei Amazon noch erhältlich, aber viel zu teuer (5€ 18er Preisaufschlag nicht mitgerechnet). Die DVD, ebenfalls im Mai 2014 erschienen, ist aber noch erhältlich.
Eine Heimkino-Neuauflage ist seit 10.10.2014 erhältlich: Hier brachten New Visions Films / Edel Germany MOTEL HELL als Repack der CMV-Veröffentlichungen sowohl auf Blu-ray als auch DVD in den Handel; die Ausstattung ist mit den bisherigen CMV-Scheiben identisch. Auf dem Cover brüstet man sich mit der Aufschrift „Nach 25 Jahren auf dem Index endlich wieder freigegeben – 100% uncut“, vergisst aber die vorherigen Veröffentlichungen von CMV.