Regie, Produzent + Buch: Francis Ford Coppola / Musik: Dan Deacon, Osvaldo Golijov / Kamera: Mihai Malaimare Jr. / Schnitt: Kevin Bailey, Glen Scantlebury, Robert Schafer / Ausf. Prod.: Anahid Nazarian, Fred Roos
Darsteller: Val Kilmer (Hall Baltimore), Bruce Dern (Sheriff Bobby LaGrange), Elle Fanning (V), Ben Chaplin (Edgar Allan Poe), Joanne Whalley (Denise), David Paymer (Sam), Anthony Fusco (Pastor Allan Floyd), Alden Ehrenreich (Flamingo), Bruce A. Miroglio (Deputy Arbus), Don Novello (Melvin), Ryan Simkins (Caroline), Lucas Ride Jordan (P.J.), Fiona Medaris (Vicky), Tom Waits (OV; Erzähler) u.a.
Francis Ford Coppola hat sie auch schon alle durch gehabt, diese Auf’s und Ab’s, die in so einer langen Regiekarriere irgendwie dazu gehören. Klaro, in Erinnerung bleibt er weniger wegen seiner Flops, vielmehr wegen seiner Tops, denn gerade DIE PATE-Trilogie und APOKALYPSE NOW haben einfach zu große Maßstäbe in der Filmgeschichte gesetzt. Trotzdem ist es nun auch schon 20 Jahre her, seitdem er mit BRAM STOKERS DRACULA seinen letzten Kinohit landen konnte. Seine darauf folgenden Regiearbeiten, die Robin-Williams-Klamotte JACK (1996) und die John-Grisham-Verfilmung DER REGENMACHER (1997), konnten dagegen nicht wirklich überzeugen, so das sich Coppola für die nächsten Jahre auf’s Produzieren und das (finanziell lukrative) Engagement rund um seinen Weinberg beschränkte.
Vor ein paar Jahren hat er sich dann wieder aufgerappelt, um sich noch einmal neu zu entdecken und mit kleineren, individuelleren Projekten, die ihm persönlich am Herzen liegen, ins Regiegeschäft zurück zu kehren. In einem Interview sagte er einmal, dass er sich wie ein Filmstudent fühlen möchte – einfach mal, um neue Dinge auszuprobieren. Das kann man so manchen Regiejungspund von heute nur wärmstens ans Herz legen: einfach mal neue Dinge ausprobieren!
In dieser Spätphase Coppolas entstanden JUGEND OHNE JUGEND (2007), TETRO (2009) und nun der hier vorliegende TWIXT – übrigens der erste Coppola-Film, der hierzulande direkt auf DVD veröffentlicht wird. Für alles gibt es ein erstes Mal.
TWIXT entführt uns in ein scheinbar beschauliches, kleines Städtchen namens Swann Valley. Hier schlagen die Uhren im wahrsten Sinne des Wortes etwas anders – den örtlichen Glockenturm ziert nämlich ein Uhrwerk mit sieben Zifferblättern und jedes davon zeigt eine andere Zeit an. Weiterhin gibt es hier noch einen schrulligen Sheriff (köstlich: Bruce Dern, DAS GEISTERSCHLOSS; THE GLASS HOUSE; THE HOLE), der in seiner Freizeit gerne Fledermaus- und Vogelhäuschen bastelt, ein altes, verfallenes Hotel, in dem mal Edgar Allan Poe übernachtet haben soll und, ganz frisch in der örtlichen Leichenkammer eingeliefert, die Leiche einer Jugendlichen mit Holzpflock im Herzen. Und genau in diesem Nest, welches zudem in den 50ern von einer Mordserie heimgesucht wurde, landet der herunter gekommene Schriftsteller Hall Baltimore (Val Kilmer, RED PLANET), der sich mit trivialen Büchern über Hexen mehr recht als schlecht über Wasser hält und eigentlich nur sein neuestes Werk promoten möchte. In diesem kleinen, seltsamen Ort möchte er sich von all den Merkwürdigkeiten für sein nächstes Buch inspirieren lassen – vorzugsweise im Suffzustand. Dort meldet sich schon in der ersten Nacht ein geisterhaftes Mädchen namens V (Elle Fanning, SUPER 8) bei ihm und schon bald stellt sich für Hall Baltimore die Frage: Was ist Traum und was ist Wirklichkeit?
Eine schräge, verschrobene Schauermär voller kleiner Schrullen und Macken hat da Coppola zusammen getüftelt und es wird wohl sein Geheimnis bleiben, was er damit bezweckt hat. Dabei ist TWIXT nicht ohne Reiz, zumal Coppola mit diesem Spätwerk zu jenen Wurzeln zurück kehrt, wo seine Karriere einst begann: ins Horrorgenre, wo er bei Roger Corman sein Handwerk erlernte.
Mit einem aufgedunsenen Val Kilmer, der schon fast als Steven-Seagal-Double durchgehen könnte, hat Coppola auch den passenden Hauptdarsteller gefunden. Wenn Kilmer als abgetakelter, versoffener und ausgebrannter Schriftsteller, eine Art “ Stephen King für Arme“, seine Schwarte (ziemlich erfolglos) aufgrund des Fehlens eines Buchladens in einem Eisenwarengeschäft zu verkaufen versucht oder er völlig durch den Wind gedreht vor’m Laptop sitzt und unter der Zugabe von immer mehr Fusel an den passenden Einstiegsworten zu seinem neuesten Roman bastelt, doch dabei immer absurdere Satzgebilde in die Tasten haut, dann entbehrt das nicht einer gewissen Komik.
Seiner Hauptfigur gewinnt Coppola auch ernste Seiten ab, die zumindest in einem Punkt eng mit seiner eigenen Biografie verbunden ist. Hier hat er nämlich seinen eigenen Schicksalsschlag mit in die Geschichte eingebaut, nämlich den tragischen Unfalltod seines Sohnes Gian-Carlo, der 1986 bei einem Bootsunfall ums Leben kam – genau wie Hall Baltimore’s Tochter. Da scheint also doch etwas mehr hinter diesem seltsamen Treiben zu stecken.
Hauptaugenmerk ist hier die verrückte Traumwelt des Hall Baltimore. Im Dämmerzustand zwischen Alkoholrausch, Tablettenexzess und Fiebertraum sind sogar Gespräche mit Edgar Allan Poe (blass: Ben Chaplin) möglich. Dieser gibt Baltimore den einen oder anderen Tipp zum Aufbau seines Romans und begleitet ihn dabei, als er dem Geheimnis der Mordserie auf die Schliche kommt.
Diese Traumwelt taucht Coppola in eine eigenwillige Optik ein: hier dominieren surreale, unwirkliche und bewusst künstliche Bilder sowie eine befremdliche, kontrastarme Farbgebung, in der vereinzelte rote Farbtupfer ins Auge fallen. Einige billige Digitaleffekte unterstreichen dabei den surrealen Touch und die morbide, dichte Atmosphäre.
Doch mit fortschreitender Laufzeit fragt man sich, ob Coppola sich wirklich selbst im Klaren war, welche Richtung nun seine Geschichte einschlagen soll. Hinzu kommt die wenig erfreuliche Tatsache, dass die Geisterstory mitsamt den Vampiren und den Geschehnissen rund um die Mordserie auf leider schon ausgetretenen Genre-Pfaden wandelt.
Rein inhaltlich gesehen ist das Ganze, verTWIXT nochmal!, dann doch ziemlich hanebüchen, konfus und unausgegoren – incl. einem abruptem Ende, das in dieser Form unbefriedigend und unfertig daher kommt. Gleich wohl gibt es wiederum einige hübsche, kleine, verrückte Einfälle, die TWIXT wiederum sehenswert machen. Man ist hin- und hergerissen bei diesem Film, der einem im Nachhinein mit all seinen Wunderlichkeiten schon wieder sympathisch rüber kommt: weil er genüsslich auf das Ding namens „Erwartungshaltung des Zuschauers“ scheißt.
Und so entspinnt sich in diesem spleenigen Mix aus Gothic-Horror-Trash, Mysterythriller und Provinzsatire ein wirrer, irrer Gruselreigen, der bisweilen etwas zu sehr auf „Fiebertraum“ gebürstet wurde. Doch genau da hat auch TWIXT seine Ursprünge: laut Coppolas eigenen Angaben entstand die Geschichte im Raki-Rausch während einer durchzechten Nacht in Istanbul. Das erklärt dann wohl einiges.
- Die DVD und Blu-ray ist seit dem 6.12.2012 im Verleih und im Handel bei Studiocanal erhältlich. Auf Blu-ray gibt es zudem noch 2 Sequenzen, die im konvertiertem 3D sind. Bedauerlicherweise sind außer dem Trailer keine weiteren Extras vorhanden. Siehe auch: ofdb
6,5/10