THE RAVEN
USA 2012 / O: "The Raven" / Prod.: SquareOne / Laufzeit: 110 Min. (uncut; Blu-ray) / FSK: ab 16
Regie: James McTeigue / Musik: Lucas Vidal / Kamera: Danny Ruhlmann / Schnitt: Niven Howie / Ausf. Prod.: Glen Basner, Jesus Martinez Asencio, James D. Stern / Prod.: Marc D. Evans, Trevor Macy, Aaron Ryder / Buch: Ben Livingston, Hannah Shakespeare
John Cusack (Edgar Allan Poe), Luke Evans (Detective Fields), Alice Eve (Emily Hamilton), Brendan Gleeson (Captain Hamilton), Kevin McNally (Maddux), Oliver Jackson-Cohen (John Cantrell), Jimmy Yuill (Captain Eldridge), Sam Hazeldine (Ivan), Pam Ferris (Mrs. Bradley), Brendan Coyle (Reagan), Adrian Rawlins (Doc Clements) u.a.
Schon des öfteren hatte man im Medium Film versucht, sich Edgar Allan Poe, dem Poeten des Grauens, anzunähern, in dem man ihn als Figur in diversen Filmen auftreten ließ. Das geschah zum Beispiel in den 60ern in Freddie Francis‘ Amicus-Episodenfilm DER FOLTERGARTEN DES DR. DIABOLO (1967) und in CASTLE OF BLOOD aka DANCE MACABRA, der 1964 unter der gemeinsamen Regie von Sergio Corbucci und Antonio Margheriti (alias Anthony M. Dawson) entstand. Einen skurrilen Auftritt als Edgar Allan Poe absolvierte Schauspiel-Wüterich Klaus Kinski im Gruselschwank DRACULA IM SCHLOSS DES SCHRECKENS (1971), ebenfalls von Antonio Margheriti, der damit höchstpersönlich das Remake zu CASTLE OF BLOOD verwurstete.
Auch in der jüngeren TV- und Filmgeschichte ließ man Edgar Allan Poe immer mal wieder auferstehen; jüngst geschehen in Francis Ford Coppolas eigenwilligem Spätwerk TWIXT, in dem ein blasser Ben Chaplin in die Rolle des düsteren Literaten schlüpfte. Viel besser und eindringlicher war dagegen der großartige Auftritt von Genrelegende Jeffrey Combs, der Poe in Stuart Gordons einstündigem Beitrag „The Black Cat“ (2007) innerhalb der 2. Staffel der Horrorserie MASTERS OF HORROR zum Besten gab.
2012 war Edgar Allen Poe Hauptakteur in THE RAVEN, der in den USA fürchterlich floppte und hierzulande gar nicht erst im Kino, sondern direkt auf DVD bzw. Blu-ray veröffentlicht wurde. In Anlehnung an Poes berühmtestes Gedicht „Der Rabe“ lässt Regisseur James McTeigue (V – WIE VENDETTA) den wie immer sehenswerten John Cusack als herunter gekommenes Schriftsteller-Genie im düsteren Baltimore des Jahres 1849 höchstpersönlich einen fiesen Killer jagen, der nach den Motiven seiner Werke mordet und meuchelt was das Zeug hält.
Der ermittelnde Detective Fields (Luke Evans), ein echt kerniger Typ, hält zunächst Poe für den Tatverdächtigen Nummer 1, doch der erste schreckliche Fall, bei dem Mutter und Tochter in einem verschlossen Raum einen grausamen Tod sterben mussten, ist nur der Auftakt zu einer Mordserie, die Poes Werke zum Vorbild nimmt. Und so bleibt dem jungen Ermittler nichts anderes übrig als Poe zum Co-Detektiv zu ernennen. Seine morbiden und makabren Schauergeschichten sind für so einen ausgebufften Mordsbubi ein Quell der Inspiration, was denn auch entsprechend in die Tat umgesetzt wird. Da kann sogar Folterkollege Jigsaw noch was lernen. Und so pendelt sich THE RAVEN im wahrsten Sinne des Wortes ein, wenn Poes Literatur einem von sich selbst sehr überzeugtem Killer-Jungspund dienlich ist und beim Ableben diverser Zeitgenossen hilft: Gräueltaten werden akribisch ausgeführt, da wird dem Sadismus gefrönt, Angstschreie hallen durch die Nacht und es spritzt der rote Lebenssaft – natürlich alles im Rahmen des möglichen, nähere Details bleiben in so einer Großproduktion freilich außen vor.
Dafür kommt natürlich der hier zelebrierte Aufwand gut zur Geltung, was sich besonders in der Ausstattung mitsamt den hochwertigen, detaillierten Kulissen bemerkbar macht. Das 19. Jahrhundert wird recht authentisch zum Leben erweckt, zudem ist das stimmige Szenario, das hier herauf beschwören wird und den Zuschauer in ein düsteres Baltimore versetzt, wirklich prächtig.
Mit Poes Biografie hat das hier im weiterem Verlauf allerdings nur noch sehr wenig zu tun. Fakten aus seinem Leben werden eher beiläufig als Randnotizen abgehandelt und mit Fiktion durcheinander gewirbelt, was zumindest im Zusammenhang mit der hier gesponnenen Geschichte rund um seinen Tod, der ja in Wirklichkeit nie so richtig geklärt wurde, durchaus faszinierend ist. Die wirklich dunklen Aspekte in Poes Leben bleiben leider außen vor, vielleicht weil man das Mainstream-Publikum nicht damit überfordern wollte. Von Anfang an war THE RAVEN nicht als biografische Abhandlung vorgesehen, vielleicht weil die Macher Angst hatten, das Publikum damit zu überfordern oder die Sorge bestand, die Leute würden aufgrund dessen Depressionen oder Selbstmordgedanken bekommen (was eher bei einem Film mit Til Scheisser wahrscheinlich ist). Dafür wird der gute, alte Eddie zu einer Art „Superheld“ gemacht, der tapfer und frei von allen Ängsten sich dem Bösen stellt und heroisch auf Verbrecherjagd geht. Poe bleibt hier nichts anderes übrig, als sich den Eigenschaften seiner analytisch denkenden Figur C. Auguste Dupin zunutze zu machen, jenem Detektiv, der Arthur Conan Doyle zu „Sherlock Holmes“ inspirieren sollte.
Daneben werden immer wieder bekannte Motive aus seinem Werk aufgegriffen und zitiert: „Die Morde in der Rue Morgue“ (wo Dupin ja das erste Mal auftauchte) finden gleich zu Beginn Verwendung, später gesellen sich noch die bekannten Elemente aus den Kurzgeschichten „Das vorzeitige Begräbnis“ (brillant verfilmt von Roger Corman als LEBENDIG BEGRABEN, 1962) und „Die Grube und das Pendel“ (ebenfalls in der Verfilmung von Corman, in diesem Fall als DAS PENDEL DES TODES, 1961) dazu.
Die Schnitzeljagd gestaltet sich durchweg kurzweilig, ist aber frei von wirklichen Überraschungen und Spannungshöhepunkten. THE RAVEN ist einer jener Filme, die man ganz nett findet und wo man nicht wirklich etwas Schlechtes sagen kann, doch vom Hocker hat’s mich jetzt auch nicht gehauen.
Wem Guy Ritchies SHERLOCK HOLMES-Filme mit Robert Downey Jr. oder ABRAHAM LINCOLN: VAMPIRJÄGER gefallen hat, dürfte sich auch hier gut unterhalten fühlen. Die Intensität und der Erfindungsreichtum von FROM HELL bleibt indes unerreicht.