THE GUARD
Irland 2011 / O: "The Guard" / Prod.: Reprisal Films; Element Pictures; Presience; Aegis Film Fund; UK Film Council; Crescendo Prod.; Eos Pictures LLP; Bord Scannán Na Héireann; The Irish Film Board / Laufzeit: 96 Min. (uncut; blu-ray) / FSK: ab 16
Regie + Buch: John Michael McDonagh / Musik: Calexico / Kamera: Larry Smith / Schnitt: Chris Gill / Ausf. Prod.: Martin McDonagh, Don Cheadle, Lenore Zerman, Ralph Kamp, Tim Smith, Paul Brett, David Nash / Prod.: Chris Clark, Flora Fernandez-Marengo, Ed Guiney, Andrew Lowe
Brendan Gleeson (Sergeant Gerry Boyle), Don Cheadle (Wendell Everett), Mark Strong (Clive Cornell), Liam Cunningham (Francis Sheehy-Skelfington), David Wilmot (Liam O'Leary), Fionnula Flanagan (Eileen Boyle) u.a.
„Wenn man nicht lacht, ist man tot.“ (Brendan Gleeson)
Der irische Provinzpolizist Gerry Boyle (Brendan Gleeson) ist nicht gerade ein Musterbeispiel für seine Berufsgattung: so durchwühlt er schon mal die Taschen von tödlich verunglückten Verkehrsunfallopfern und stopft sich deren Ecstasy-Pillen in den Mund, er klopft rassistische Sprüche, versorgt seine krebskranke Mutter (Fionnula Flanagan) im Hospital mit kleineren Alkoholmengen und verbringt seine Freizeit auch gerne mal mit Nutten – aber nur an den freien Tagen. In seinem Heimatort Galway fällt der mürrische Eigenbrötler damit gar nicht auf, denn da hegen sie alle eine ähnlich ruppig-herzliche Art wie er. Leute von Außerhalb dürften damit freilich ihre Probleme haben. So wie FBI-Ermittler Wendell Everett (Don Cheadle) zum Beispiel. Der wurde in das westirische Kaff geschickt, um einen international operierenden Drogenschmuggler-Ring dingfest zu machen. Natürlich geraten die beiden unterschiedlichen Typen aneinander, schon alleine weil es sich Boyle nicht nehmen lässt, den schicken FBI-Agenten zu provozieren. Nebenbei muss Boyle noch einen Mord und den Vermisstenfall eines Polizistenkollegen untersuchen – und erkennt, dass diese Fälle alles etwas miteinander zu tun haben. Sergeant Gerry Boyle erwacht aus seiner Lethargie – sonst ist er nicht allzu viel los in Galway…
Der deutsche Untertitel – „Ein Ire sieht schwarz“ – ist mal wieder genauso plump und dämlich wie der eigentliche Film originell und vergnüglich ist. Aber die Spezialisten von der hiesigen Reichstitelschmiede sind ja drauf trainiert, Filme zu verhunzen und verfälschen. THE GUARD ist die Freunde des schwarzen Humors eine klare Empfehlung, die hierzulande nur in wenigen auserwählten Programmkinos lief und dank einer schwachen Marketing-Kampagne leider etwas untergegangen ist.
Wie ein Fels in der Brandung ragt in THE GUARD die starke Hauptfigur und ihr wunderbarer Darsteller hervor: Brendan Gleeson ist einfach zum knuddeln als eigenbrötlerischer Provinzbulle, der den Widrigkeiten des Alltags trotzt: ein Berufszyniker, der nichts und niemanden ernst zu nehmen scheint (schon gar nicht sich selbst), anderen Leuten mit seinen barschen Äußerungen gerne vor den Kopf stößt, dabei aber auch ein sehr belesener, melancholischer und einsamer Mensch ist. Freilich hat dieser Gerry Boyle so einige unsympathische Charaktereigenschaften, aber er ist alles andere als unsympathisch; er ist auch kein Rassist, er stichelt und provoziert halt ganz gerne und stellt andere mit ihren Vorurteilen gerne bloß.
Erfrischend politisch unkorrekt schildert THE GUARD die Eigenarten der irischen Provinzbevölkerung und unterhält dabei vortrefflich mit pointierten, hintersinnigen Dialogen, skurrilen Situationen und originellen Charakteren. Besonders köstlich ist hier das Drogenhändler-Trio, das mehr daran interessiert ist, über Lyrik, Literatur und Philosophie zu diskutieren als den eigentlichen Job zu verrichten: Mark Strong ist der schlecht gelaunte, ständig herummaulende Drogendealer, der von dem ganzem Drumherum mehr als nur genervt ist, David Wilmot der über seine eigenen, kleinen Wehwehchen klagende, intellektuelle Killer mit dem irren Blick und der alles planende Liam Cunningham, der vor allem am Bestechen und Korrumpieren sichtliches Vergnügen hat.
Nicht zu verachten sind die örtlichen Gegebenheiten und die damit einher gehende Atmosphäre mit ihren Eigenarten, die hier vortrefflich in Szene gesetzt werden: seien es nun die heruntergekommene Polizeistation, das Dinerlokal im 50er-Jahre-Stil, der finstere Pub, wo man trotzdem gerne sein Bierchen trinkt, oder Boyle’s eigenes Heim – und natürlich die prächtige Naturkulisse mit ihrer typisch irischen Schlechtwetter-Landschaft … – und dem Feld in der Brandung…
THE GUARD ist ein wunderbarer, kleiner Film und das gelungene Spielfilmdebüt des Drehbuchautoren John Michael McDonagh (übrigens der Bruder von BRÜGGE SEHEN … UND STERBEN-Regisseur Martin McDonagh), der das letzte Mal 2003 mit seinem gefeiertem Skript zu NED KELLY im Filmgeschäft war. O-Ton McDonagh: „Ich bin eine faule Person. Ich konnte lange von dem Geld, das ich mit NED KELLY verdient hatte, leben.“ Zum Glück mussten wir diesmal keine 8 Jahre warten, ehe McDonagh wieder einen Film inszenierte: Wiederum zusammen mit dem wunderbaren Brendan Gleeson drehte er 2014 AM SONNTAG BIST DU TOT.
- Die DVD und Blu-ray (seit 23.03.2012 im Handel) aus dem Hause Ascot Elite Home Entertainment sind jeweils identisch ausgestattet und bieten auch nach dem Film reichlich Beschäftigung und Unterhaltung: neben dem Making of, geschnittenen und erweiterten Szenen, Interviews, Outtakes, einem Behind the Scenes-Featurette und dem Trailer gibt es noch einen Audiokommentar und den Kurzfilm „The Second Death“, McDonaghs schwarzhumoriges Regiedebüt aus dem Jahre 2000.