„Ich habe keine ruhige Minute, bis ich nicht weiß, wie sich in Kohle verwandelte Materie regenerieren lässt.“ (Baron Janos Dalmar)
Regie: L. Merino [= José Luis Merino] / Musik: Luigi Malatesta / Kamera: Emanuele Di Cola / Buch: E. Colombo, José Luis Merino
Darsteller: Erna Schürer [als Erna Schurer] (Ivanna Rakowsky), Carlos Quiney [als Charles Quiney] (Baron Janos Dalmar), Agostina Belli (Christiana), Christiana Galloni (Olga) sowie Antonio Gimenez Escribano, Mariano Vidal Molina, Enzo Fisichella, Ezio Sancrotti, Giancarlo Fantini, Franco Moraldi, Renato Paracchi
Wer 60er-Jahre-Spukhausfilme mit wehenden Vorhängen, flackerndem Kerzenlicht, stürmischen Gewitternächten und knarzenden Türen mag und sich an schaurigen Geschichten über unheimliche Schlösser mit schrecklichen Geheimnissen erfreuen kann, für den dürfte DAS GEHEIMNIS VON SCHLOSS MONTE CHRISTO genau das Richtige sein. Um hinterher festzustellen, daß man im Bereich des Gothic Horrors so viele schöne Filme gesehen hat, die einfach liebevoller, sorgfältiger und überzeugender waren als dieser bestenfalls unfreiwillig komische Gruselschwank, der dem geneigten Genrefreund in erster Linie durch die leicht exploitationhafte Verwendung beliebter Zutaten bei Laune hält. In dieser Hinsicht dann aber richtig.
„Junges Blut für die Bestie…“ (Werbezeile)
Um 1900: Die junge, aufstrebende Wissenschaftlerin Ivana Rakowsky folgt einer Einladung auf das Schloss (nein, nicht Monte Christo!) von Baron Janos Dalmar, in dessen Labor sie arbeiten soll. Die Hinfahrt gestaltet sich schon einmal ziemlich schwierig, denn sie findet keine Kutsche, die sie dorthin bringt. Die Dorfbewohner meiden den Baron und sein Schloss, halten sie ihn doch für den Urheber einer hässlichen Mordserie. Grad‘ eben wird wieder eine junge Frau zu Grabe getragen.
Der örtliche Totengräber bietet ihr eine Mitfahrgelegenheit an und nachdem sie seinen Vergewaltigungsversuchen entkommen konnte, muss sie bei der Ankunft auf dem Schloss feststellen, dass sie alles andere als willkommen ist. Man hat einen Mann erwartet! Doch schließlich hat unsere Ivanna zwei gute Gründe, die den Baron davon überzeugen, sie auf seinem Schloss zu behalten. Wenn drei Damen zusammen mit einem stinkreichen Adligen zusammen hausen, kann man sich denken, was dabei rauskommt, denn da ist noch die elende Krücke Olga, sowohl enge Mitarbeiterin als auch heimliche Geliebte, und da ist das scheinbar schüchterne Dienstmädchen, das total in den werten Baron verliebt ist, der wiederum in sich selbst verliebt ist. Das klingt nach einer Eifersuchtsschmonzette aus vergangenen Tagen, eine Mischung aus Burgdrama und Seifenoper mit Zickenalarm und Frauenzimmer-Rivalitäten, doch immer wenn es allzu seicht wird, wird der Monster-Faktor entsprechend erhöht und Ivanna schlummert sich in ihren persönlichen Albtraum hinein: sie ist nackt, gefesselt und wird in der Folterkammer von einer furchtbar entstellten Gestalt gequält. Doch auch wenn sich immer mehr die Hinweise verdichten, dass dieser grauenhafte Albtraum ein durchweg reales Ereignis ist, kann sie sich tagsüber voll auf ihren Job als Chemikerin konzentrieren. Sie hilft dem Baron bei dessen Forschungen, die seinen toten Bruder Igor mittels eines Elixiers wieder ins Leben zurückholen sollen. Da die Mordserie weiterhin anhält, der Zutritt zu einer verschlossenen Tür strengstens verboten ist und immer wieder eine verbrannte Pranke, die wie ein zerfledderter Handschuh aussieht, ins Bild kriecht, um nach Ivannas Titten zu grabschen, ist bald klar: dieser Igor ist doch noch nicht ganz tot…
„Auf der Folterbank des Grauens.“ (Werberatschlag)
Euro-Trash statt Gothic Horror: Trotz vielerlei Zutaten ist Regisseur und Co-Autor Merino weit entfernt von der visuellen Klasse eines Mario Bava und des frühen Antonio Margheriti, die ähnlich schundige Geschichten weitaus stilvoller und atmosphärischer in Szene zu setzen vermochten. Stattdessen gibt es einen Ausflug in Richtung Exploitation, zumindest deuten die (noch zurückhaltenden) S/M-Einlagen im Folterkeller an, was es in den Folgejahren bei all den Hexen- und Frauenknastfilmen zu begutachten gibt. Hauptdarstellerin Erna Schürer schien jedenfalls ihre schauspielerische Inspiration gefunden zu haben und brillierte in den 70ern in Meisterwerken wie REVOLTE IM FRAUENGEFÄNGNIS (1974), DIE NACHT DER BLANKEN MESSER (1975, aka STRIP NUDE FOR YOUR KILLER) von Andrea Bianchi und dem hierzulande unveröffentlichten DEPORTED WOMEN OF THE SS SPECIAL SECTION (1976).
Doch auch wenn im weiteren Verlauf die verbrannte Fratze des bösen Bruders mit den verkohlten Griffeln immer öfter und länger durchs Bild huscht und manchmal eine mit Ketchup bekleckerte junge Schauspielschülerin, die eine Frauenleiche darstellen soll, zurück lässt, bleibt der Gewaltpegel, selbst für diese Zeit, eher niedrig angesetzt. Zumindest wenn man bedenkt, dass schon Jahre zuvor die legendären britischen Hammer Studios richtige Schocker ablieferten, die das damalige Publikum (incl. Kritiker) wirklich schockten. Nun, Schocker-Qualitäten kann man diesem altmodischen Schundi nicht unbedingt bescheinigen, er ist auch nicht unbedingt das, was man als spannend oder gar gruslig bezeichnen würde.
Das dieser olle Gruselschinken aber insgesamt etwas zäh, behäbig und stellenweise langatmig daher kommt, liegt an der wenig mitreißenden, tempoarmen Regie, den ungeschickten Darstellern und einem konfusen Drehbuch, das kaum brauchbare Ideen beisteuert. Andere Sachen waren wichtiger, denn immer wieder kommt die Handlung ins stocken, weil es 1970 so ein dringendes Bedürfnis war, möglichst oft entblößte Frauenkörper zu zeigen, was damals eine völlig neue, tolle Erfahrung war, die den Kritikern vom katholischen Filmdienst die Schamesröte ins Gesicht trieb, den Zuschauer von Heute in der dargebotenen Naivität allerdings eher zum schmunzeln animiert. Merino verliert sich allzu oft in unwichtige Kleinigkeiten, langatmige Dialog-Plappereien und frivole Plattheiten, wie etwa eine lesbisch angehauchte Frauen-Diskussion darüber, nackt in die Badewanne zu steigen. Muss schließlich auch mal durchgesprochen werden.
- Und was hat Hauptdarsteller Carlos Quiney noch so gemacht? Er spielte mehrmals unter der Regie von Merino, u.a. im Kriegsfilm HÖLLENKOMMANDO (1969), dem Piraten-Abenteuer TOTENKOPF AUF WEISSEN SEGELN (1972) oder dem Paul-Naschy-Brüller TOTENCHOR DER KNOCHENMÄNNER (1973). Was dann aus ihm wurde? Keine Ahnung.
- „Logisch aufgebauter, aber nur mäßig spannender Gruselfilm nach Schema.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)
- „Die einigermaßen gelungene Dekorstudie mit sado-voyeuristischem Einschlag ist von Regisseur José Luis Merino mit vielen wallenden Gewändern und ebenso vielen knarrenden Türen effektreich in Szene gesetzt.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
5/10