Regie: Dr. Uwe Boll / Musik: Jessica De Rooij / Kamera: Mathias Neumann / Schnitt: Julian Clarke / Ausf. Prod.: Vince Desiderio, Steve Wik / Prod.: Dr. Uwe Boll, Daniel Clarke, Shawn Williamson / Buch: Dr. Uwe Boll, Bryan C. Knight
Darsteller: Zack Ward (Postal Dude), Dave Foley (Onkel Dave), Chris Coppola (Richard), Jackie Thon (Faith), J. K. Simmons (Wells), Ralf Moeller (Officer John), Chris Spencer (Officer Greg), Seymour Cassel (Paul), David Huddleston (Peter), Verne Troyer (als sich selbst), Michael Paré (Straßenräuber), Larry Thomas (Osama bin Laden), Brent Mendenhall (George W. Bush), Erick Avari (Habib), Lindsay Hollister (Recorder), Rick Hoffman (Mr. Blither), Michael Benyaer (Mohammed), Dr. Uwe Boll (als sich selbst), Vince Desiderio (als sich selbst), Michael Eklund (arbeitsloser Amokläufer), Michaela Mann (Jenny), Holly Eglinton (Karen), Lucie Guest (Cindy), Jonathan Bruce (Harry), Carrie Genzel (Reporterin Gayle), Michael Robinson (Seminarleiter) sowie Geoff Gustafson, Daniel Boileau, Jason Emanuel, Melanie Papalia, Jodie Stewart, Derek Anderson, Heather Feeney, Bill Mondy, Michael Shore, Richard Ian Cox, Lorielle New u.a.
„In der Tradition erfolgreicher Titel wie FALLING DOWN und WAG THE DOG drehte Filmemacher Uwe Boll diese bitterböse, bluttriefende satirische Komödie mit dem deutlich erkennbaren Willen kein Tabuthema auszulassen.“ (Kinowerbung)
Dr. Uwe Boll (SCHWERTER DES KÖNIGS) erklärt uns die Welt. Und drehte eine Satire. Es soll Leute gegeben haben, denen schoss, als sie das hörten, die Lachtränen in die Augen wie sonst nur die Oderflut in Richtung Ostdeutschland. Galt doch Dr. Uwe Bolls bisheriges Werk selbst als Filmkunstsatire. Der Initiator grottig-kultiger Videogame-Verfilmungen (HOUSE OF THE DEAD; ALONE IN THE DARK; BLOODRAYNE) nahm sich diesmal des Spiels POSTAL an, womit er sich einerseits treu blieb, anderseits etwas anderes schaffen wollte, als das, was man von ihm bislang kennt. Man kann es drehen und wenden, wie man will: genau das ist ihm auch gelungen. Oder anders ausgedrückt: POSTAL ist alles andere als gelungen.
Dabei findet Dr. Boll einen guten Einstieg, wo er die Geschehnisse des 11. September 2001 auf seine Weise interpretiert. Zwei Terrorpiloten sitzen im Cockpit einer entführten Passagiermaschine und streiten sich über die Anzahl der Jungfrauen, die nach ihrer Heldentat auf sie warten. Als die Antwort von Osama Bin Laden, den sie kurzerhand über’s Handy zu Rate ziehen, unbefriedigend ausfällt, beschließen sie, in Richtung Bahamas durchzustarten. Just in dem Moment stürzt ein wütender Passagier-Mob durch die Cockpit-Tür, das Flugzeug gerät außer Kontrolle und rast auf die Twin Towers in New York zu… – der Rest ist Geschichte. Von dieser klasse Idee, die aber schon hier durch die inkompetente Umsetzung zunichte gemacht wird, bleibt immerhin mit dem Fensterputzer am World Trade Center einer der besten Leinwand-Tode des Kinojahres 2007 übrig.
Szenenwechsel: Dude (Zack Ward), ein Verlierer, wie er im Buche steht, ist arbeitslos, pleite und haust mit seiner schwer übergewichtigen, untreuen Ehefrau in einem heruntergekommenen Wohnwagen in einem Städtchen namens Paradise City. Der amerikanische Albtraum. Ein Bewerbungsgespräch verläuft katastrophal, den Gang zum Sozialamt überlebt er nach dem Amoklauf eines Irren nur knapp. Also wendet er sich an seinen Onkel Dave, dem Anführer einer Weltuntergang predigenden Sex-Sekte. Der ist finanziell auch am Ende und so hecken sie einen perfiden Plan aus: die komplette Ladung heiß begehrter Merchandise-Ware, Krotchy-Puppen nämlich, zu klauen und bei ebay zu verhökern. Auf der Premierenparty, bei der u.a. der umstrittene Filmemacher Uwe Boll (!) zu Gast ist, soll das ganz große Ding von statten gehen. Dumm nur, dass gerade Osama bin Laden und seine Mannen in der Stadt sind und ihre eigenen Ziele verfolgen…
An und für sich birgt allein schon die Ausgangsidee, einen gestressten Mann ob der Widrigkeiten des Alltags mit dem ihm umgebenen Menschen (die untreue Ehefrau, gleichgültige Jobvermittler, unglücklich verlaufende Vorstellungsgespräche, Straßenräuber etc.) zur Waffe greifen und durchdrehen lassen, genug satirischen Zündstoff. Dr. Uwe Boll zündet ihn an und lässt ihn unter der Gürtellinie nach hinten losgehen. Auch eine Leistung.
Ehrlich gesagt, hab ich mich gefreut auf POSTAL und war gespannt auf diesen „anderen Uwe Boll“, nicht zuletzt wegen diverser positiver Rezensionen. Am Ende blieben mal wieder nur Ärger und Enttäuschung übrig. Ich war schließlich froh, als diese Möchtergern-Satire mit ihren Anti-Pointen, Grimassen, dem Leerlauf und depperten Blödel-Dialogen á la POLICE ACADEMY zu Ende war. Dann doch lieber „Scheibenwischer“ gucken.
POSTAL sollte wohl ein Frontalangriff auf alles und jeden sein, wo jeder, aber auch jeder, sein Fett weg bekommen sollte: Religiöse Fanatiker, Populisten, Patrioten, dumme Politiker, rassistische Polizisten, Nazis, Bayern, Deutsche, Moslems, Juden, Schwule, Schwarze, Behinderte, Rentner, Frauen… So war es wohl gedacht und wäre bei diesem ganzen Mist auf dieser Welt auch angebracht und wichtig gewesen, doch leider dominieren allzu hohler Klamauk, kalauernder Blödsinn und Fäkal-Humor. Politisch unkorrekt wollte Dr. Uwe Boll sein, doch leider ist das, was wir hier zu sehen bekommen, wohl eher als filmisch unkorrekt einzustufen. Soll heißen: er vergeigt mal wieder all das, was man als Filmemacher nur vergeigen kann. Ideen und Ansätze sind mehr als genug vorhanden, doch hapert es bei ihm, wie immer, an der Ausführung und der Umsetzung. Stattdessen werden wie in einer billigen Nummernrevue konzept- und gedankenlos teils platte, teils vermurkste Gags wahllos und dramaturgisch haarsträubend aneinander geklatscht. Straßencafé-Ketten mit dem Namen „Grind Zero“, Mütter, die den Kinderwagen vorschieben, ums ich selbst vor heranbrausenden Autos zu retten – das reicht einfach nicht, um als respektlose Satire durchzugehen. Hier wurde die Möglichkeit verschenkt, allen Heuchlern und Scheinheiligen den Spiegel vor die Nase zu halten. Sowohl BORAT als auch die SOUTH PARK-Macher haben gezeigt, wie es geht, POSTAL dagegen sieht aus wie gewollt, aber nicht gekonnt. Selbst Schwarzeneggers oberpeinliche Knallchargen-Show COLLATERAL DAMAGE ist da lustiger. Jemand sollte Herrn Dr. Uwe Boll erklären, dass Humor eine ernste Angelegenheit ist.
Das der Initiator bahnbrechender Videogame-Verfilmungen tatsächlich Humor besitzt, zeigte er in seiner Einladung an die Filmkritiker zu einem Boxwettkampf, bei dem er eindrucksvoll zeigte, dass nicht nur seine Filme ein Schlag ins Gesicht sein können – den er sogar als Schönheitsoperation verkaufen würde. In POSTAL beweist er noch mehr Selbstironie und tritt in einem Little-Germany-Themenpark im krachledernen Lederhosen-Bayern-Outfit auf, wo er der Welt vor laufenden Kameras erklärt, dass seine Filme mit Nazigold finanziert würden (ein Vorwurf, den sich Dr. Uwe Boll tatsächlich gefallen lassen musste!), woraufhin er von Vince Desiderio, dem Erfinder des POSTAL-Games, mit der Begründung, das er sein Spiel vollkommen missverstanden hat, zusammengeschlagen wird. Wenig später wird ihm der Schwanz weggeballert und er kratzt schließlich mit den Worten „Ich hasse Videogames!“ ab. Manch einer wäre froh, wenn’s denn wirklich so wäre, stattdessen erwarten uns demnächst aus seinem Repertoire FAR CRY, ALONE IN THE DARK II, SABOTAGE 1943 und BLOODRAYNE III. Du lieber Himmel!
Ansonsten kann man die weiteren wirklich guten Einfälle an einem Finger abzählen. Die Highlights sind jedenfalls rar gesät: J. K. Simmons (der cholerische Chefredakteur aus den SPIDERMAN-Filmen) als populistischer Bürgermeisterkandidat, der im Straßenwahlkampf einem Selbstmordattentäter zum Opfer fällt, Boll-Stammschauspieler Michael Paré als Straßenräuber-Proll mit dicken Goldketten und Jogginganzug und zu guter Letzt der beste Gag: George W. Bush läuft mit seinem alten Kumpel Osama bin Laden Händchen haltend den Sonnen- bzw. Weltuntergang entgegen. Auch hat die Idee, bin Laden zum Seminarbesucher („Wie beherrsche ich meine Angestellten?“) und hilflosen Führer einer eigensinnigen Terrorgruppe zu machen, durchaus etwas an sich. Andere Einfälle sind dagegen aus Marc Klasfeld’s THE L. A. RIOT SPECTACUAR (2004), welcher in die gleiche Kerbe schlägt, geklaut, z.B. wenn das neueste Osama-bin-Laden-Video in einem schäbigen Hinterzimmer herunter gekurbelt wird.
Diverse Gastauftritte und prominent besetzte Nebenrollen finden sich, wie bei Boll üblich, auch in POSTAL, doch werden diese eben auch hier nicht wirklich genutzt und/oder total verschenkt. So darf sich Verne „Mini Me“ Troyer selbst spielen und findet sich eingesperrt in seinem Koffer wieder, während David Huddleston (der Big Lebowski in THE BIG LEBOWSKI) und Independent-Legende Seymour Cassel als versaute, perverse Rentner um die Wette ferkeln. Apropos ferkeln: Ferkeleien, sprich geschmacklose Entgleisungen der dümmeren Art, gibt es hier zuhauf. So darf z.B. Ralf Möller des Postal Dude’s überfette Frau ficken, während Komiker Dave Foley als sexbesessener Guru seinen Schwanz groß und breit ins Bild platziert, um sich dann furzend und scheißend aufs Klo zu setzen. Und dann wäscht er sich nach dem kacken nicht mal die Hände. Ist es etwa das, was der Herr Boll unter provozierend versteht? Dann sollte ihn mal jemand den Unterschied zwischen Provokation und Peinlichkeit erklären.
Auch wenn er glauben mag, diverse Tabubrüche fabriziert zu haben: herausgekommen ist nur eine bemüht anarchistische Action-Trash-Groteske voller derber Zoten und aufgesetzter Möchtegern-Provokationen, die in dieser Form nur Gähnanfälle verursachen. So lässt Üwchen, in der Hoffnung, in konservativen Kreisen eine gewisse Empörung hervor zu rufen, reihenweise Kinder abknallen, Trottel-Gangster mit Hakenkreuz-Armbinde und angeklebten Hitler-Bärtchen auftreten und wollüstige Männer über die fette Frau im Wohnwagen, bei der Boll höchstpersönlich einen ollen Bauerarbeiterwitz reanimiert (die Sache mit dem Mehl), nur so herfallen. Das soll lustig sein? Ich weiß nicht. Wenn die Kritiker-Koryphäe Gernot Gricksch sich selbst im Internet sucht und mit seinem guten Geschmack auf der Seite des schlechten Geschmacks wieder findet – das ist lustig. Aber darunter versteht wohl jeder, Gott sei Dank, etwas anderes. Ich möchte auch niemandem etwas unterstellen. Auch unserem guten Dr. Uwe Boll nicht: nämlich das er nun anfängt, wirklich lustige Filme zu drehen. Das wäre wirklich zu viel des Guten. Oder des Schlechten. Es ist nur eine bittere Ironie: Wo in seinen vorherigen Filmen der unfreiwillige Humor dominierte und die Leute sich einkringelten vor lauter Lachen, wollte Dr. Boll seine Zuschauer mit POSTAL absichtlich zum lachen bringen – und gerade das ist ihm misslungen. Die Mundwinkel hängen nach unten wie bei Angela Merkel während einer ihrer überflüssigen Bundestagsreden.
• „Der abgründige Humor wird unter Garantie vielen vor den Kopf stoßen, doch diejenigen, die diese Art der Komödie zu schätzen wissen, werden ihre helle Freude an POSTAL haben. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, kaum ein Tabu ausgelassen, den Politikern so richtig der Arsch versohlt und unter die Gürtellinie getreten, dass es wahrlich weh tut.“ (Yazid Benfeghoul, DEADLINE 04/2007)
• „Nichts für Zartbesaitete: überzogene Nonsens-Comedy mit einigen geschmacklichen Entgleisungen.“ (Philipp Schulze, CINEMA 11/2007)
• „Gemäß der Tradition, dass Satire weh tun muss, um zum Nachdenken anzuregen, bekommt jeder bei POSTAL sein Fett weg. In der Tradition von DIE NACKTE KANONE und BORAT findet ein hemmungsloser Angriff auf Gott und die Welt statt – satirisch gemeinte Ohrfeigen ohne Grenzen inklusive.“ (Claudia-Janet Kaller, MOVIESTAR 05/2007)
• „POSTAL ist eine grandiose Polit- und Gesellschaftssatire, die keine Gefangenen macht. Uwe Boll präsentiert uns ein blutiges und politisches stets unkorrektes Gag-Feuerwerk, das die SCARY MOVIE-Reihe zum Kinderprogramm degradiert.“ (Marcus Menold, VIRUS #19)