GESANDTER DES GRAUENS
USA 1957 (s/w) / O: "Not of this Earth" / dt. AT: "Die Außerirdischen" / Prod.: Los Altos Productions; Allied Artists Pictures / Laufzeit: 64 Min. / FSK: ab 16
Regie + Produzent: Roger Corman / Musik: Ronald Stein / Kamera: John J. Mescall / Schnitt: Charles Gross / Buch: Charles B. Griffith, Mark Hanna
Paul Birch (Paul Johnson), Beverly Garland (Nadine Storey), Morgan Jones (Police Officer Harry Sherbourne), William Roerick (Dr. Rochelle), Jonathan Haze (Jeremy Perrin), Dick Miller [als Richard Miller] (Joe Piper, der Staubsaugervertreter), Anna Lee Carroll (Frau von Devanna), Pat Flynn (Officer Simmons), Roy Engel (Sgt. Walton) sowie Barbara Bohrer, Tamar Cooper, Harold Fong, Gail Ganley, Ralph Reed, Lyle Latell [ungenannt] (Double von Paul Birch) u.a.
Wer mag dieser seltsame Mr. Paul Johnson (Paul Birch) sein, der mit versteinerter Miene, schwarzem Anzug, Hut und Aktenkoffer stoisch durch die Straßen wandelt und sein Gesicht stets hinter einer dicken Sonnenbrille verbirgt? Nun, Mr. Paul Johnson stammt nicht von dieser Welt. Er wurde von seinem Heimatplaneten Davanna auf die Erde mit dem Auftrag geschickt, ob denn diese als mögliche Reserve-Blutbank in Betracht kommen könnte. Seit den auf Davanna wütenden Atomkriegen leidet die dortige Bevölkerung unter einer Krankheit, die das Blut im Körper verdampft; eine Krankheit, unter der auch Mr. Johnson leidet. Aus diesem Grunde zapft er ahnungslosen Passanten ihr Blut ab, um es in handliche Ampullen abzufüllen und eben diese mittels im Wandschrank verstecktem Transmitter nach Hause zu schicken. Durch diese Apparatur erhält er auch seine Anweisungen, z.B. auch mal einen dieser „Untermenschen“ (wie wärs etwa mit einem Chinamann?) zur Vivisektion rüber nach Davanna zu beamen.
An die wenig später im heimischen Kühlschrank zwischengelagerten Blutkonserven kommt Mr. Johnson problemlos: Er brauch nur seine dicke Sonnenbrille abzunehmen, woraufhin seine Opfer beim Anblick seiner weißen Pupillen in Ohnmacht fallen bzw. deren Hirn verdampft wird und er den Toten ohne großes Gedöns den kostbaren roten Lebenssaft abzapfen kann. Natürlich bleibt die zurück liegende und steigende Anzahl an toten und noch dazu völlig blutleeren Menschen nicht unbemerkt…
GESANDTER DES GRAUENS ist ein weiteres gutes Beispiel für Cormans Fähigkeit, innerhalb kürzester Zeit und mit nur wenig zur Verfügung stehenden Mitteln ein effizientes, kurzweiliges und knackiges B-Movie auf die Beine zu stellen. Allein schon die kurze Laufzeit von gerade mal 64 Minuten lässt keinerlei Langeweile aufkommen. Damit war GESANDTER DES GRAUENS bestens für die damaligen Autokinos gewappnet, um im Doppelprogramm mit einem anderem Titel (in diesem Fall ATTACK OF THE GRAB MONSTERS, beworben mit dem Slogan: „Terrorama! Double Horror Sensation!“) das damalige, vornehmlich junge Publikum zu unterhalten, wenn dieses sich gerade mal nicht auf Knutschkonfrontationskurs befand. Und bei so wenig Budget musste der Streifen einfach Gewinn abwerfen, was ja auch der Fall war, denn der GESANDTE lief damals recht erfolgreich.
Wie so viele andere Streifen so wurde auch der GESANDTE vom ökonomisch arbeitenden Corman innerhalb von 10 Tagen (2×5 Wochentage) herunter gekurbelt und kommt ohne großen Aufwand oder gar teure Spezialeffekte aus. Trotzdem kommt der Genre-Fan im letzten Drittel in den Genuss eines absurden Flügelwesens: der Lampenschirm des Grauens, der sich über den aufmüpfigen Arzt stülpt, was wiederum vom Gesandten des Grauens arrangiert wurde.
Sicher mag es in dieser glorreichen Ära wirkungsvollere Invasionsstreifen, die mit Action und Spezialeffekten auftrumpfen konnten, gegeben haben, aber dennoch ist GESANDTER DES GRAUENS eine durchaus interessante Interpretation von Außerirdischen, die die Erde unterjochen wollen, zumal es auch gut tut, wenn die in diesen Filmen typische Paranoia mit der damit verbundenen Kommunisten-Angst diesmal ausgeklammert bleibt.
Von seinem Debüt im Jahre 1955 (FÜNF REVOLVER GEHEN NACH WESTEN) bis zu seiner ersten Edgar-Allen-Poe-Adaption DER UNTERGANG DES HAUSES USHER von 1960 führte Corman insgesamt 25 Mal (!) Regie – quer durch alle Genres: neben Western (HEISSE COLTS UND SCHNELLE PFERDE, 1955), Frauenrevolte (TEENAGE DOLL; AUFRUHR IM MÄDCHENWOHNHEIM, beide 1957) und Gangsterfilm (NAKED PARADISE, 1957; GANGSTER NR. 1; MACHINE GUN KELLY, beide 1958) bereicherte er das phantastische Genre mit allerlei Science-fiction-Nonsens (IT CONQUERED THE WOLRD, 1956; PLANET DER TOTEN SEELEN, 1958), Monstertrash (ATTACK OF THE GRAB MONSTERS, 1957; DIE WESPENFRAU, 1959) und Endzeitvisionen (DIE LETZTEN SIEBEN, 1955).
Unterstützung fand er dabei stets in den zur „Corman Company“ gehörenden Mitstreitern, die sowohl vor als auch hinter der Kamera immer wieder mit ihm zusammen arbeiten sollten. Dazu zählen hier insbesondere Komponist Ronald Stein und sein damaliger Stammautor Charles „Chuck“ B. Griffith, der in Windeseile auch die Drehbücher zu den kultigen Schelmenstücken DAS VERMÄCHTNIS DES PROF. BONDI (1959) und KLEINER LADEN VOLLER SCHRECKEN (1960) in die Schreibmaschine tippte.
Was die hier angeheuerten Darsteller anbelangt, so sind diese sowohl aus den oben genannten und darüber hinaus vielen anderen Corman-Produktionen aus dieser Zeit hinlänglich bekannt und vertraut. Es ist, als ob man einen gemütlichen Abend mit lauter guten Freunden und Wegbegleitern verbringt. Mit der Gesichtsbulldogge Paul Birch fand sich denn auch eine Idealbesetzung für den Part des unheimlichen Mr. Johnson. Seine einzige Hauptrolle füllt er denn mit einer geradezu dämonischen Präsenz aus.
Das interessante an seiner Figur ist, dass er eben nicht so einfach der böse Außerirdische ist, sondern nur einen Weg sucht, um seinen eigenen Planeten zu retten, und dabei auf der einen Seite so mächtig ist, da er nur seine Sonnenbrille abzunehmen brauch, um Menschen zu töten und diese zudem mit seinen telepathischen Fähigkeiten beeinflussen und „lenken“ kann, und auf der anderen Seite sehr zerbrechlich daher kommt, nämlich wenn seine Schmerzempfindlichkeit was Lärm und hohe Töne anbelangt, ihm zum Verhängnis wird.
An Birch’s Seite gefällt Cormans damalige Lebensgefährtin Beverly Garland als Krankenschwester, die durch Mr. Johnson mittels Hypnose vom Arzt Dr. Rochelle (William Roerick) „abgeworben“ wird, um ihm rund um die Uhr zur Verfügung stellen, damit sie die nötigen Bluttransfusionen verabreichen kann. Angeheuert wurde außerdem der von Jonathan Haze (Seymour Krelbouin aus KLEINER LADEN VOLLER SCHRECKEN) locker verkörperte Kleinganove Jeremy, der Johnson als Chauffeur und Faktotum dient. Letzten Endes soll es gerade an diesen Beiden liegen, die Pläne des Außerirdischen zu durchkreuzen. Dagegen bleiben der bereits erwähnte Roerick als Arzt sowie Morgan Jones als freundlicher Polizist relativ blass. Und wer bimmelt da an der Tür? Es ist Staubsaugervertreter Dick Miller (DAS VERMÄCHTNIS DES PROF. BONDI; KLEINER LADEN VOLLER SCHRECKEN; DER MANN MIT DEN RÖNTGENAUGEN; HOWLING; DIE NACHT DER CREEPS), der in einem witzigen Gastauftritt das von ihm beworbene Haushaltsgerät an den Mann (bzw. Außerirdischen) bringen will, doch das Haus, was er betritt, nie wieder verlässt. Sein knuffiges Gesicht spricht Bände, wenn Mr. Johnson die Sonnenbrille abnimmt. Köstlich!
GESANDTER DES GRAUENS auf DVD:
Mit GESANDTER DES GRAUENS lag der Startschuss der „Drive-In Classics“ vom kleinen Label Subkultur Entertainment vor. Streng limitiert auf nur 500 Exemplare war diese liebevolle Veröffentlichung von Fans für Fans noch vor dem Starttermin am 28.01.2011 ausverkauft. Mittlerweile ist diese DVD ein gesuchtes Sammlerstück, welches es nur zu den üblichen Mondpreisen gibt.
Eingehüllt im dekorativem Hochglanzschuber findet sich die Silberscheibe in der Amaray-Hülle mitsamt einem sich über Vorder- und Rückseite ausbreitenden Covermotiv wieder. Klappt man die Hülle auf, fällt sofort das hübsche Booklet ins Auge, mit dem Pelle Felsch vom Filmclub Bali interessante Hintergrundinfos rund um den „Gesandten“ liefert. Das Besondere an dieser edlen Veröffentlichung ist, dass dieses kleine, feine Filmchen aus längsten vergangenen Kinotagen zum ersten Mal seit 1957 in der damaligen Original Kinosynchronistaion präsentiert wird! Dafür war denn eine sehr aufwendige Restauration notwendig; an den Stellen, wo dies nicht mehr möglich war, springt die in den 80ern angefertigte TV-Synchro ein. Wenn man das Alter des Films in Betracht zieht, können sich Bild und Ton insgesamt betrachtet sehen lassen. Wenn es manchmal etwas knarzt und schrabbelt, passt das umso mehr zur Drive-In-Atmosphäre. Als Extras finden sich neben dem deutschen und dem originalem Trailer eine Bildergalerie, das kurze Feature „Der Zahn der Zeit“, welches das Ausgangsmaterial kurz beleuchtet, der damalige dt. Kino-Vorspann vom Klinger-Filmverleih und ein sehr informativer Audiokommentar, mit dem der Filmhistoriker Mike Siegel seinen Einstand in dieser Funktion gibt. Dort kann man erfahren, was einem so gar nicht aufgefallen wäre: Mr. Paul Johnson wird von zwei verschiedenen Darstellern verkörpert! Da Paul Birch dem Alkohol nicht abgeneigt war und deswegen aufgrund einer handfesten Auseinandersetzung mit Roger Corman die Dreharbeiten einfach verließ, musste für einige wenige Szenen ein Double für ihn herhalten, was aber (wenn man es nicht wüsste) gar nicht weiter aufgefallen wäre. Insgesamt eine wirklich tolle Veröffentlichung und kein Vergleich zum schlampig aufbereiteten Release aus dem Hause Ostalgica (dort mit der TV-Synchro und unter dem Titel DIE AUSSERIRDISCHEN), das man in die Tonne kloppen kann. Aber auch diese DVD ist mittlerweile vergriffen.
- Es gab insgesamt 2 Remakes, die von Corman höchstpersönlich produziert wurden: DER VAMPIR AUS DEM WELTALL (1988) von Corman-Schüler Jim Wynorski mit Ex-Porno-Star Traci Lords sowie NOT OF THIS EARTH (1995) von Terrence H. Winkless (DAS NEST).
- „…trotz kleinem Budget gehört Gesandter des Grauens zu den besten Science-Fiction-Filmen der 50er Jahre. Ein B-Movie der A-Klasse. Paul Birch spielte die vermutlich beste Rolle seines Lebens.“ (Bill Warren, KEEP WATCHING THE SKIES)
- „Primitiv verfilmter Gruselunfug lächerlichsten Ausmaßes.“ (KATHOLOSCHE FILMKRITIK)
- „Mit einem sehr bescheidenen Budget ausgestattet, inszenierte der damals 31jährige Roger Corman einen detailverliebten Invasions-Klassiker. Voller Improvisationskunst lässt er seine Schauspieler Birch und Garland gegen das Gute im Menschen ankämpfen.“ (Marcus Pawelczyk, HÖLLE AUF ERDEN)
- „Der beste von Roger Cormans Science-fiction-Filmen aus den 50er Jahren. In diesem eleganten Thriller untersucht der Regisseur viele der Themen, auf die er später in seinen Edgar-Allan-Poe-Adaptionen intensiver eingehen sollte.“ (SCIENCE FICTION FILMENZYKLOPÄDIE)