FRANKENSTEINS UNGEHEUER
GB 1964 / O: „The Evil of Frankenstein“ / Prod.: Hammer Film Productions / Laufzeit: 83 Min. / FSK: ab 16
Regie: Freddie Francis / Musik: Don Banks / Kamera: John Wilcox / Schnitt: James Needs / Prod.: Anthony Hinds / Buch: John Elder [= Anthony Hinds]
Peter Cushing (Baron Frankenstein), Peter Woodthorpe (Prof. Zoltan), Sandor Elès (Hans), Duncan Lamont (Polizeichef), Katy Wild (Bettlermädchen), David Hutcheson (Bürgermeister), James Maxwell (Priester), Kiwi Kingston (Frankensteins Ungeheuer), Anthony Blackshaw und David Conville (Polizisten), Howard Goorney (Betrunkener), Caron Gardner (Frau vom Bürgermeister), ungenannt: Tony Arpino (Leichendieb), Timothy Bateson (Hypnotisierter) u.a.
Peter Cushing in seiner Paraderolle als Baron Frankenstein – auch in seinem dritten Auftritt (nach FRANKENSTEINS FLUCH, 1957, und FRANKENSTEINS RACHE, 1958) arbeitet er emsig und besessen an seinem großen Lebenswerk, aus verschiedenen Leichenteilen einen neuen Menschen zu erschaffen. Unterstützung findet er diesmal in seinem treuen Assistenten Hans, der sich in seinen jungen Jahren von der gemeinsamen Arbeit mit dem Baron mehr Wissen und Erfahrung verspricht, als ihm eine Universität jemals lehren kann.
Wieder befindet sich Baron Frankenstein inmitten seiner für ihn wichtigen Arbeit, als ein Priester hereinstürzt und alles zunichte macht. Fest entschlossen, nicht aufzugeben, flieht er zurück auf sein Schloss in Karlsbad, da, wo alles angefangen hat und er vor Jahren die Flucht antreten musste. Ernüchterung macht sich breit, denn sein ehemaliges Anwesen präsentiert sich in einem herunter gekommenen Zustand, beraubt um die Wertgegenstände, von denen er sich durch den Verkauf Geld für seine Forschungsarbeiten erhoffte. Doch wie es der Zufall will, findet Frankenstein in einer Höhle, wo ein stummes Bettlermädchen ihm und Hans vorübergehend Unterschlupf gewährte, das einst von ihm erschaffene künstliche Wesen, das in einem Berggletscher zum Eisblock gefroren ist. Die Kreatur wird in sein altes Laboratorium gebracht, wieder aufgetaut und ins Leben zurückgeholt. Mit Hilfe des zwielichtigen Hypnotiseurs Zoltan (fies: Peter Woodthorpe) soll das Ungetüm befehligt werden, doch dieser nutzt es für seine kriminellen Machenschaften aus. Er lässt das Monster mittels seiner Hypnosefähigkeiten stehlen und morden, womit ein schrecklicher Ausgang der Geschichte schon so gut wie vorprogrammiert ist…
„Alles was sie nicht verstehen können, alles, was ihren kleinen, erbärmlichen Verstand übersteigt, zerstören sie.“ (Baron Frankenstein)
FRANKENSTEINS UNGEHEUER ist der einzige der sechs Filme mit Cushing, bei dem nicht Hammer’s Hausregisseur Terence Fisher hinter der Kamera stand, da er zur gleichen Zeit anderweitig beschäftigt war. Vertreten wurde er durch Freddie Francis, der für Hammer die beiden Psychothriller HAUS DES GRAUENS (1962) und DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN (1963) sowie die Fortsetzung DRACULAS RÜCKKEHR (1968) realisierte und für das Konkurrenzunternehmen Amicus die Anthologieklassiker DIE TODESKARTEN DES DR. SCHRECK (1964), DER FOLTERGARTEN DES DR. DIABOLO (1966) und TALES FROM THE CRYPT (1972) inszenierte. Dieser dritte FRANKENSTEIN-Film wurde in Fankreisen auch recht umstritten aufgenommen, mal abgesehen von FRANKENSTEINS SCHRECKEN (1970, Jimmy Sangster), dem einzigen von Hammer’s insgesamt sieben Frankenstein-Filmen, bei dem nicht Cushing, sondern Ralph Bates in der Rolle des Barons zu sehen war. Der Grund, warum FRANKENSTEINS UNGEHEUER auf Ablehnung stieß, dürfte dabei sicher in den inhaltlichen und ideologischen Differenzen liegen, die einen Widerspruch innerhalb der Chronologie der Serie darstellen.
Einige Ungereimtheiten muss man einfach hinnehmen: Wo ist zum Beispiel die Praxis hin, die der Baron noch in FRANKENSTEINS RACHE in London besaß? Und wie kommt es, dass er auf einmal in Mitteleuropa ist? Und warum wird hier von Frankenstein’s erstem Monster gesprochen? Da gibt es so eine tolle, etwa 10minütige Rückblende, die fast ohne Dialog auskommt und in der Frankenstein mittels Elektrizität und komplizierter Apparaturen „sein Monster“ erschafft, das schließlich die Felsklippen herunter stürzt, nachdem es von gewohnt wenig verständnisvollen Polizisten mit Pistolenkugeln getroffen wurde – nur stellt sie eben genau das in Frage, was in Fisher’s vorangegangenen Teilen erzählt wurde, fast so, als hätten jene Ereignisse niemals statt gefunden. Schade, dass Hammer-Autor und -Produzent Anthony Hinds, wie immer unter seinem Pseudonym John Elder, nicht mehr Sinn für Kontinuität und Chronologie übrig hat.
Auffallend dabei ist die Charakterisierung Frankensteins: Sowohl in den beiden vorangegangenen, als auch den nachfolgenden Filmen war er ja das eigentliche Monster – der besessene, fanatische Wissenschaftler, der bei den Mitteln seiner Wege keinerlei Skrupel kennt und weder vor Erpressung, noch vor Mord zurück schreckt, um ans Ziel zu gelangen. Hier wird sein Charakter deutlich gemäßigter angelegt: als missverstandener Wissenschaftler, dessen Arbeiten immer wieder sabotiert und zerstört werden, vielleicht in dem Glauben, dass das Publikum etwas mehr Verständnis für sein Tun und Handeln aufbringen soll. Nichts desto trotz meistert der große Peter Cushing auch diese Interpretation des Charakters mit einer schauspielerischen Hingabe, die uns diesen Frankenstein schließlich näher bringt. Von seinem Enthusiasmus ist dagegen nichts verloren gegangen, denn die Erschaffung eines Menschen ist auch weiterhin das, was allerhöchste Priorität in seinem Leben hat.
Eine große Veränderung gab es auch bei dem Aussehen des Monsters, denn da Hammer mit Universal Pictures als weltweitem Vertriebspartner zusammen arbeitete, durfte man sich nun erstmals an das legendäre, von Jack Pierce entworfene Monster-Make-up für Boris Karloff (welches er in FRANKENSTEIN, FRANKENSTEINS BRAUT und FRANEKNSETINS SOHN trug) orientieren, was ja aufgrund von rechtlichen Bestimmungen bislang verwehrt wurde. So musste für Christopher Lee’s Monster-Auftritt in FRANKENSTEINS FLUCH bekanntlich eine neue Maske kreiert werden, die sich durchaus sehen lassen konnte. Hätte man es auch hier dabei belassen, denn nach allerlei Gezerre über hundert Entwürfen, bei dem sich Universal unbedingt durchsetzen wollte und Hammers Make-up-Experte Roy Ashton den Kürzeren zog, einigte man sich für den neuseeländischen Wrestler Kiwi Kingston auf eine billige aussehende Maskerade, die sein plump-poltriges Auftreten unterstützte: ein ausdrucksloser Vierkantschädel, der ganz offensichtlich nur aus Pappe und Karton bestand.
Trotz dieser Defizite bleibt unterm Strich ein jeder Zeit unterhaltsames, bildgewaltiges und atmosphärisch dicht inszeniertes Frankenstein-Abenteuer, das auch dank des wie immer brillant agierenden Peter Cushing auch heute noch sehenswert bleibt.
- FRANKENSTEINS UNGEHEUER erschien als vierter Teil innerhalb der Koch Media Hammer Edition, wo der Film in satten Farben erstrahlt. Verpackt im dekorativen Pappschuber gibt’s als Bonus den Original Kinotrailer, eine Bildergalerie mit seltenem Werbematerial und ein 16seitiges, hübsch bebildertes und sehr informatives Booklet von Uwe Huber und Guiskard Oberparleiter.
- „Nach sechsjähriger Pause inszenierten die Hammer Studios einen bildgewaltigen und handlungsstarken Frankenstein-Film. Unter der zwar noch jungen, aber erstaunlich ausgereiften Regie von Freddie Francis konnte Peter Cushing seine ganze Bandbreite an schauspielerischer Brillanz herauskehren.“ (Marcus Pawelczyk, HÖLLE AUF ERDEN)
- „Die Handlung ergeht sich in einigen typischen Horrormotiven der 60er Jahre. Die routinierte Regie von Freddie Francis ist zwar beachtlich, aber weitestgehend uninspiriert.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Der Film gilt – sicher auch wegen der überzeugenden schauspielerischen Leistung Peter Cushings – als der beste der englischen Frankenstein-Serie.“ (Ronald M. Hahn & Rolf Giesen, DAS NEUE LEXIKON DES HORRORFILMS)
- „Trivialer Gruselfilm; routinierte Serienkost ohne inszenatorische Höhepunkte…“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)
- „Einer der besseren Frankenstein-Filme.“ (HEYNE FILMLEXIKON)