„Kommen Sie zu Dr. Dracula – er behandelt ihre Ängste.“ (deutscher Verleih)
Regie: Mario Bava / Musik: Carlo Rustichelli, Roman Flad (ungenannt) / Kamera: Antonio Rinaldi / Schnitt: Romana Fortini / Prod.: Nando Pisani, Luciano Catenacci / Buch: Roberto Natale, Romano Migliorini, Mario Bava / Story: Roberto Natale, Romano Migliorini
Darsteller: Giacomo Rossi-Stuart (Dr. Paul Eswai), Erika Blanc (Monica), Fabienne Dali’ (Ruth), Giana Vivaldi [Giovanna Galetti] (Baronessa Graps), Piero Lulli (Inspector Kroger), Max Lawrence [Luciano Catenacci] (Karl, der Bürgermeister), Micaela Esdra (Nadienne) sowie Franca Dominici, Giuseppe Addobbati, Mirella Panfili, Valerio Valeri u.a.
DIE TOTEN AUGEN DES DR. DRACULA: Wieder mal schaffte es ein zwar herrlich reißerischer, aber bekloppter, deutscher Titel die Zuschauer gründlich in die Irre zu führen. Hier gibt es weder einen Dr. Dracula, noch tauchen überhaupt Vampire auf, doch Deutschlands Verleiher setzten noch einen drauf: „In Draculas Augen spiegelt sich das Entsetzten seiner Opfer!“, wird das Mario-Bava-Meisterwerk von 1966 reißerisch und vollkommen daneben beworben:
Der Arzt Paul Eswai (Giacomo Rossi-Stuart) kommt in ein kleines, wenig einladendes Dörfchen, welches seit geraumer Zeit von einer unheimlichen Todesserie heimgesucht wird. Zusammen mit dem ebenfalls angereisten Inspektor Kroger (Piero Lulli) will er den angeblichen Selbstmord des Dienstmädchens Irena aufklären, die auf dem unheimlichen Schloß Graps angestellt war. Irena ist bereits das 12. Todesopfer, das Selbstmord begangen haben soll, aber die Bewohner sind da anderer Meinung. Sie wissen es, haben aber Angst. Eswai stößt auf eine Mauer des Schweigens, doch eine erste Spur führt ihn zum Schloß der wirren Baronessa Graps (Giana Vivaldi). Deren siebenjährige, tote Tochter Melissa macht ihr reichlich zu schaffen: sie erscheint als Geist, um Rache an den Bewohnern zu nehmen, die damals ihre Hilfe verweigerten, als sie während eines Festes grausam sterben musste – Kobolde haben sie gefressen! Nun ist sie aus dem Jenseits zurück gekehrt und läßt einen nach dem anderen sich selbst hinrichten. Der Geist Melissa’s treibt sie erst in den Wahnsinn, dann in den Tod. Paul Eswai versucht mit seiner Geliebten Monica (Erika Blanc), die sich als Erbin des Schlosses Graps herausstellt, dem Grauen ein Ende zu bereiten, doch dies wird noch eine böse Überraschung für ihn parat haben…
Ein verfluchter Ort, verschwiegene Bewohner, eine Serie des Todes und ein dunkles Geheimnis. Einige Handlungselemente waren typisch für den Horrorfilm aus jener Zeit, ähnliche Geschichten erzählten uns auch die Macher der englischen Hammer-Filme. Da ist der Kutscher zu Beginn, der Dr. Eswai in die Nähe des Dorfes bringt (den Rest muß er schon zu Fuß gehen), und nach seiner Bezahlung schnellstens die Kehrtwende macht. Da ist die verschwiegene, abweisende Dorfgemeinschaft und natürlich die Wirtshausbesucher, die stumm verharren, als Eswai die Pension betritt.
OPERAZIONE PAURA (Originaltitel) fasziniert auch heute noch mit seiner morbiden, unheimlichen Atmosphäre und dem Einsatz von Farbe, Musik und Räumlichkeiten. Bava’s Film ist farbenfroh, keinesfalls aber trivial-bunt. Er besitzt das große Talent spezielle Dinge farblich zu betonen: Spinnenweben, die Wendeltreppe, Nebelschwaden in der dunklen Nacht, selbst seine Figuren läßt er in einem speziellen Licht erscheinen.
So wie etwa sein in schwarz/weiß gedrehter DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT (1960) für Gruselstimmung sorgte, so vermag dieser mit allen Mitteln der Farbgebung gedrehte Horrorklassiker Angst einzujagen. Vorausgesetzt, man kann sich noch auf diese Art der (klassischen) Genre-Unterhaltung einlassen und hat sich durch die effektüberladenen Poltergeistfilmchen der Neuzeit (beispielsweise Jan de Bont’s Geistlos-Remake DAS GEISTERSCHLOSS) nicht allzu verderben lassen.
Wie Bava und sein Kameramann Antonio Rinaldi alte Häuserruinen und dunkle, unheilvolle Gassen in Szene setzen, bleibt in seiner Wirkung auch heute noch unübertroffen und übte einen großen Einfluss auf die Carpenters, Argentos und Burtons dieser Welt aus. Und selbst mit drastischen Szenen geizte Bava nicht, etwa wenn das Dienstmädchen Irena während ihres Wahnsinns-Selbstmords auf den eisernen Spitzen eines Zaunes aufgespießt wird. Mario Bava war und ist ein Meister seiner Zunft.
9/10
- Regieassistent ist im Übrigen Lamberto Bava, Mario’s Sohn, der inzwischen selber auf dem Regiestuhl Platz genommen hat (DEMONI, 1986; DIE GRUFT, 1987)
- „…einer von Bava’s schönsten Horrorfilmen.“ (MOVIESTAR)
- „Die Symbolhaftigkeit einiger Szenen ist auch heute noch bestes Beispiel für intelligentes Horrorkino.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Mario Bava löst sich in den Szenefolgen völlig von der Geschichte: er inszeniert in wunderbaren Bildern, in an die Stummfilmzeit erinnernden Horrorvisionen und raffinierten Überblendungen konsequent wie selten einen Film über Angst und Bedrohung.“ (FILMDIENST)
- „Etwas verworrene, nervenstrapazierende Gruselgeschichte in effektvoller Inszenierung. Raffinierte Überblendungen prägen die bedrückende Geschichte um die Inkarnation des schlechten Gewissens.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)