Regie: Vernon Sewell / Musik: Peter Knight / Kamera: John Coquillon / Schnitt: Howard Lanning / Ausf. Prod.: Tony Tenser / Associate Producer: Gerry Levy / Prod.: Louis M. Heyward / Buch: Mervyn Haisman, Henry Lincoln / Story Adaption: Jerry Sohl / LV (ungenannt): H. P. Lovecraft, “The Dreams in the Wotch House”
Darsteller: Boris Karloff (Prof. John Marshe), Christopher Lee (Mr. Morley), Mark Eden (Robert Manning), Barbara Steele (Lavinia), Michael Gough (Elder), Virginia Wetherell (Eve Morley), Rupert Davies (Vicar), Rosemarie Reede (Esther), Derek Tansley (Richter), Michael Warren (Chauffeur), Ron Pember (Tankstellenwart), Denys Peek (Peter Manning), Nicholas Head (Blacksmith), Roger Avon (Sgt. Tyson) sowie Nita Lorraine, Carol Anne, Jenny Shaw, Vivienne Carlton u.a.
Der einleitende, von einer warnenden Stimme gesprochene Text lässt zunächst einen Aufklärungsfilm über verbotene Substanzen vermuten: „Bestimmte Drogen können schwerwiegende Halluzinationen hervorrufen. Unter ihrem Einfluss ist es möglich, Personen durch Hypnose zu Handlungen zu bewegen, die sie unter normalen Umständen nicht ausführen würden.“ Das waren 1968 bestimmt ganz neue Erkenntnisse, doch auch wenn zu Beginn im wilden Party-Gewimmel mal der eine oder andere Joint die Runde macht, okkulte Zeremonien zu LSD-Trip-artigen Bildern abgehalten werden und sowohl Halluzinationen als auch Hypnose zu den Bestandteilen der nachfolgend beschriebenen Ereignisse zählen, haben sie letzten Endes kaum etwas mit Drogenexzessen zu tun. Es sei denn, das Autorengespann Mervyn Haisman und Henry Lincoln hatte welche gehabt, als sie das Drehbuch schrieben.
Der Antiquitätenhändler Robert Manning begibt sich auf die Suche nach seinem verschollenen Bruder Peter und landet in einer kleinen Ortschaft in Mittelengland: Greysmarsh. Dort wird er in einem alterwürdigen Schloss vom freundlichen Mr. Morley und seiner bezaubernden Nichte Eve empfangen. Sie sind die Nachfahren der Hexe Lavinia, die 1652 verbrannt wurde und pünktlich zu ihrem Jahrestag, welcher zwar nicht mit Pauken, dafür aber mit Riten und Raketen begangen wird, Rache an all denen nehmen will, die sie damals hinrichteten. Robert verliebt sich in Eve, wird aber in den folgenden Nächten kaum Ruhe finden, da er von schrecklichen Albträumen, in denen er sich inmitten eines satanischen Hexenkultes wieder findet, geplagt wird. Mit Hilfe des renommierten Prof. Marsh, einem Okkultismus-Experten, begibt er sich auf Spurensuche: nach seinem Bruder und seiner Familie. Bei seinen Nachforschungen findet er heraus, dass seine Vorfahren damals die Ankläger der Hexe Lavina waren…
Was ursprünglich als Verfilmung der Kurzgeschichte „The Dreams in the Witch House“ von H. P. Lovecraft gedacht war, wurde von Produzent Tony Tenser mit Hilfe seiner beiden Autoren Haisman/Lincoln zu einem (damals) zeitgemäßen Horrorfilm aufgeblasen, der heute, 40 Jahre später, einen teils nostalgischen, teils unfreiwillig komischen Geschmack hinterlässt. Also genau das Richtige für die Seite des schlechten Geschmacks.
Auf der Suche nach seinem vermissten Bruder stürzt Robert Manning mitten hinein in die wilden Feierlichkeiten: Sixties-Mucke, Joints, freie Liebe und feucht-fröhliche Party-Exzesse, die Eve auf dem schlossähnlichen Anwesen ihres Onkels abhält, lassen uns wissen, das wir uns mitten in den wilden 60ern befinden, genauer gesagt sind es sogar die 68er (was sich hier aber nur auf das Produktionsjahr des Films bezieht). Die psychedelischen, rauschartigen und bunten Bilder, die wie ein bizarrer LSD-Trip wirken (sollen), untermalen sowohl die hypnotischen Wandlungen als auch die okkulten Zeremonien, in denen sich die Brüder Manning wieder finden.
Doch da sind auch wieder genau die Zutaten, wie man sie aus dem typisch britischen Gothic-Horror der 60er Jahre kennt: ein Friedhof mit Nebelschwaden und schiefen Grabsteinen, ein Schloss mit alten Gemälden, Ritterrüstungen, Kerzenständern und einem Geheimgang, der direkt in die schreckliche Vergangenheit führt, wo ein Fluch ausgesprochen wurde, der ganze Familien belastet – bis in alle Ewigkeit.
Von schwerer Krankheit gezeichnet verbringt der große Boris Karloff den Großteil seiner Szenen auch hier meistens sitzend bzw. im Rollstuhl. Im selben Jahr entstand auch der umwerfende BEWEGLICHE ZIELE, der nicht nur eine wunderbare Hommage, sondern auch ein Geschenk von Peter Bogdanovich an einen begnadeten Schauspieler wurde. Das hätte ein wunderschöner Abschied werden können, doch leider musste Boris Karloff sich noch für vier obskure mexikanisch-amerikanische Billigproduktionen verpflichten (siehe dazu ALIEN TERROR).
Hier hat man immerhin noch einmal die seltene Gelegenheit, Boris Karloff Seite an Seite mit einer anderen Horrorfilm-Legende agieren zu sehen: Christopher Lee. Der hat in den 60ern nichts unversucht gelassen, um etwas Abstand von seinem Dracula-Image zu bekommen, daher dürfte seine Freude in Bezug auf den wieder einmal unsäglich dämlichen deutschen Titel eher gebremst sein: DIE HEXE DES GRAFEN DRACULA ist natürlich kompletter Unsinn, da hier zwar eine Hexe, aber kein Dracula auftaucht. Ganz offensichtlich wollte man mit Christopher Lee’s werbeträchtigen Namen Assoziationen zu Dracula wecken, was natürlich vollkommen daneben ist. Tja, so sind sie halt, die Vermarktungsstrategen aus der Reichstitelschmiede. SCHWARZE MESSE AUF BLUTROTEM ALTAR, so der Alternativtitel, trifft die Sache schon besser. Was für ein wunderbar reißerischer Titel. Doch auch in Übersee gab es reichlich Titelwirrwarr. In seinem Herstellungsland Großbritannien lief der Streifen als THE CURSE OF CRIMSON ALTAR, in den USA startete er als THE CRIMSON CULT.
Typisch für den britischen Horrorfilm aus den ausklingenden 60er Jahren sind auch hier die sado-masochistischen Folter- und Sexeinlagen, die hauptsächlich in farbenfrohen Traumsequenzen zum Vorschein kommen, aber vierzig Jahre später freilich einen harmlos-komischen Eindruck hinterlassen. Ein Richter fällt seine Urteile, Geschworene in Tiermasken beraten sich, es wird die Peitsche geschwungen und man kleidet sich wie in einem ranzigen Pornoschuppen. Man achte auf den stämmigen Kerl und hat Angst, dass gleich sein Tanga reißt – bloß’ das nicht! Faszinierend sind aber die Farbenspielereien, die sich Kameramann John Coquillon hat einfallen lassen. In diesen visuell bizarren, optisch verfremdeten Traumszenen begegnen wir auch der Hexe Lavinia, die ihre Opfer zwingt, im Buch des Todes zu unterschreiben. Das gibt ein Wiedersehen mit Barbara Steele, bestens bekannt aus Mario Bava’s großartigem DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT (1960), Corman’s Poe-Verfilmung DAS PENDEL DES TODES (1961, natürlich mit Vincent Price), Antonio Margheriti’s DANZA MACABRA (1964), Cronenberg’s PARASITENMÖRDER (1975) und Joe Dante’s PIRANHAS (1978).
Und noch ein bekanntes Gesicht gesellt sich zur Starbesetzung: Michael Gough, der hier den geheimnisvollen, geistig verwirrten Butler spielt und nicht nur in Kontakt mit Lavina, sondern auch in deren Schuld steht. Zu seiner umfangreichen Filmografie zählen u.a. seine Auftritte in Hammer’s legendärem DRACULA (1958), DAS SCHWARZE MUSEUM (1959), KONGA (1961), DIE TODESKARTEN DES DR. SCHRECK (1965) bis hin zu Engagements in diversen Tim-Burton-Filmen, wie etwa SLEEPY HOLLOW (1999).
- Als „Gaststar“ wird hier Rupert Davies aufgeführt, der gegen Ende als Vicar, der einige entscheidende Hinweise liefert, zu sehen ist. An der Seite von Christopher Lee war Davies auch in DIE 13 SKLAVINNEN DES DR. FU MAN CHU (1966) und DRACULAS RÜCKKEHR (1968) zu sehen, mit Vincent Price in DER HEXENJÄGER (1968) und mit allen beiden zusammen in IM TODESGRIFF DER ROTEN MASKE (1969)
- John Coquillon photographierte neben anderen zeitgenössischen Werken wie Michael Reeves’ DER HEXENJÄGER (1968), den öden ALIEN INVASION (1969), die Gordon-Hessler-Filme IM TODESGRIFF DER ROTEN MASKE (beide 1969), DIE LEBENDEN LEICHEN DES DR. MABUSE und DER TODESSCHREI DER HEXEN (beide 1970) später auch einige Arbeiten von Sam Peckinpah (WER GEWALT SÄT, 1971; STEINER – DAS EISERNE KREUZ, 1977; DAS OSTERMAN WEEKEND, 1983)
- Eine werkgetreue Verfilmung der Lovecraft-Geschichte „The Dreams in the Witch House“ lieferte Stuart Gordon mit seinem gleichnamigen Beitrag für die erste MASTERS OF HORROR-Staffel ab
- „Eine wirre Geschichte, die oft auf Traumsequenzen zurückgreift, um die gespenstischen Ereignisse zu illustrieren und auch in Sachen Dialog mehrmals mit dummen Mätzchen aufwartet.“ (Ronald M. Hahn & Rolf Giesen; DAS NEUE LEXIKON DES HORRORFILMS)
- „(…) Dafür bekommen wir einige fade, uninspirierte Sexszenen und – versteht sich – ein gerüttelt Maß an logischen Schnitzern. Die Farben sind gelegentlich recht gut (morbide), und einige Male überzeugt Boris Karloff durch seine schiere Anwesenheit.“ (Gerd Maximovic, SCIENCE FICTION TIMES)
- „Dieser etwas schwachbrüstige Film, der angeblich auf einer Geschichte aus der Feder H. P. Lovecraft’s beruhen soll, ist lediglich durch die Tatsache erwähnenswert, dass hier ein paar der bedeutendsten Horrorfilm-Stars der 60er Jahre vertreten sind.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Mittelmäßiger Horrorfilm voller Widersprüche und ohne innerer Logik; interessant bestenfalls durch die Farbdramaturgie.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)
6,5/10